Interview

»Die letzten Jahre in Würde leben«

Herr Schneider, die Claims Conference hat erreicht, dass 80.000 Schoa-Überlebende aus der Ex-UdSSR Entschädigungen erhalten. Was genau steht in dem Abkommen mit der Bundesregierung?
Mit der Neufassung des Abkommens werden die Verhandlungsergebnisse, die wir in über drei Jahrzehnten erreicht haben, neu strukturiert. So wurden die Beträge für Verfolgte in Ost und West angeglichen, und 80.000 NS-Opfer im früheren Ostblock, die bisher nicht entschädigt wurden, können jetzt jeweils 2.556 Euro erhalten.

Es heißt, dass dies erstmals erfolgt. Warum hat es so lange gedauert?
Die Entschädigung von NS-Opfern unterlag den Gegebenheiten des Kalten Krieges; Verfolgte im damaligen Ostblock waren ausgeschlossen. Das blieb auch so, wenn sie nach der Ausschlussfrist des Bundesentschädigungsgesetzes 1969 in den Westen gingen. Als im Zuge der Entspannungspolitik immer mehr Holocaust-Überlebende emigrierten, konnte die Claims Conference 1980 die Errichtung des Hardship Fund und 1992 des Artikel-2-Fonds für diese NS-Opfer erreichen. Laufende Beihilfen gab es für bestimmte Überlebende in Osteuropa erst ab 1998. Die große Masse der Verfolgten in Osteuropa blieb ohne Entschädigung.

Betrifft das nur Menschen, die jetzt in der früheren UdSSR leben oder auch Zuwanderer, etwa nach Deutschland?
Die Verhandlungsergebnisse betreffen vor allem in Osteuropa lebende Verfolgte. Sie erhalten endlich die Anerkennung, die ihre Leidensgenossen im Westen schon früher bekommen haben. Zusätzlich wurden die Kriterien für die laufenden Beihilfen liberalisiert. Diejenigen, die zwischen drei und elf Monaten in einem Ghetto oder zwischen sechs und elf Monaten auf besetztem Gebiet, im Versteck oder in der Illegalität waren und alle anderen Kriterien erfüllen, sind jetzt für eine laufende Beihilfe berechtigt. Dies betrifft auch Überlebende im Westen, also auch in Deutschland.

Was müssen Menschen, die anspruchsberechtigt sind, tun, um diese Leistungen zu erhalten?
Ab dem 1. November 2012 können jüdische NS-Verfolgte, größtenteils mit Wohnsitz in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, einen Antrag im Hardship Fund stellen. Antragsformulare werden in mehreren Sprachen zur Verfügung stehen. In vielen Ländern werden Mitarbeiter der Claims Conference die Überlebenden bei der Antragstellung unterstützen. Informationen sind auf www.claimscon.de abrufbar.

Welches sind Ihre nächsten Ziele?
Jeder Überlebende muss seine letzten Lebensjahre in Würde verbringen können. Für manche bedeutet dies eine laufende Beihilfe. Für andere heißt es, dass sie die benötigte häusliche Pflege erhalten. Die Claims Conference muss sicherstellen, dass nicht ein einziger betagter Überlebender allein gelassen wird.

Die Fragen an den Executive Vice President der Claims Conference stellte Martin Krauß.

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025