Herr Schuster, die Stiftung Härtefallfonds wollte »historische Gerechtigkeitslücken im Rentensystem ausgleichen«. Ist das auch für jüdische Zuwanderer gelungen?
Noch diesen Monat beendet die staatliche Stiftung formell ihre Arbeit. Der vorläufige Abschlussbericht zeigt, dass ein Etappenziel geschafft wurde: Neben anderen benachteiligten Gruppen haben jüdische Kontingentflüchtlinge mit über 38.000 bewilligten Anträgen die höchste Quote an Anerkennungen erreicht. Dieser Erfolg ist vor allem auch den jüdischen Gemeinden zu verdanken, die ihre Mitglieder intensiv beraten haben. Die meisten Antragsteller bekamen einmalig 2500 Euro bewilligt, fünf Bundesländer haben auf 5000 Euro aufgestockt. Damit ist die strukturelle Problematik aber natürlich nicht gelöst.
Die Gerechtigkeitslücken bestehen weiter?
Ja. Als in den 90er-Jahren jüdische Migranten nach Deutschland kamen, wurden ihre Berufsabschlüsse aus der Sowjetunion oft nicht anerkannt. Dies führte zu Brüchen in den Erwerbsbiografien und dazu, dass den Menschen die notwendigen Jahre der Zugehörigkeit zum deutschen Rentenversicherungssystem fehlen. So kommt es, dass heute viele Hochqualifizierte im Alter Grundsicherung beziehen müssen. Zur Erinnerung: Es war das politisch erklärte Ziel, Juden den Zuzug zu erleichtern, um in Deutschland jüdisches Leben nach der Schoa wiederaufblühen zu lassen. Dass das geklappt hat und wir heute viele aktive Gemeinden haben, ist die Lebensleistung dieser Generation, die nie richtig anerkannt wurde.
Wie steht es heute um die Altersarmut unter jüdischen Senioren?
Sie ist weiterhin hoch, und da können die 2500 Euro aus dem Härtefallfonds auch nur ein erster Schritt sein. Zum Vergleich: Unter deutschen Rentnern sind 3,6 Prozent auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen. Die Quote bei den jüdischen Zuwanderern liegt nach unseren Schätzungen bei 40 bis 50 Prozent – sie ist also um ein Vielfaches höher. Hinzu kommt, dass die Lebenshaltungskosten steigen und auch durch die Anpassungen in der Grundsicherung nicht mehr gedeckt werden. Unterm Strich könnte man also sagen: Die Altersarmut bleibt.
Was kann dagegen getan werden?
Zunächst müssen die Regelsätze der Grundsicherung an die gestiegenen Kosten angepasst werden und nicht, wie derzeit diskutiert wird, effektiv absinken. Zudem sollten die verbliebenen 250 Millionen Euro aus dem Härtefallfonds sinnvoll eingesetzt werden, um den begonnenen Weg weiterzuführen. Mir ist darüber hinaus wichtig zu betonen, dass Armut immer auch mit sozialer Benachteiligung einhergeht: Wohnungen in Randlagen, weniger Teilhabe am gesellschaftlichen Miteinander … Unsere Gemeinden sind da oft ein essenzieller sozialer Anker, den die Betroffenen an anderer Stelle so nicht finden.
Mit dem Direktor der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) sprach Mascha Malburg.