Interview

»Die AfD will die Unregierbarkeit«

Gideon Botsch Foto: picture alliance / SZ Photo

Herr Botsch, am Sonntag wählt Brandenburg einen neuen Landtag. Wird danach auch dieses Bundesland »unregierbar«?
Die Verhältnisse hier sind anders als in Thüringen und Sachsen. Am Ende könnte es sein, dass sich viele Wähler wieder für die SPD und ihren populären Ministerpräsidenten entscheiden, um zu verhindern, dass die AfD stärkste Partei wird. Dieser Effekt hat zuletzt auch andere Wahlen im Osten bestimmt. Und selbst in Thüringen sind wir noch nicht so weit, dass man von »unregierbar« sprechen müsste. Doch es gibt Kräfte, die die Unregierbarkeit wollen, wie die AfD.

Wie können die demokratischen Parteien ihr beikommen?
Nicht, indem sie auf Teufel komm raus versuchen, genauso populistisch wie die AfD zu sein, und ständig ihre Themen betonen. Die Debatte um die Zuwanderung, um immer höhere Grenzzäune, mehr Grenzkontrollen und geschlossene Abschiebelager nützt nur der AfD.

Das Thema Zuwanderung brennt aber vielen Menschen auf den Nägeln.
Wir reden nicht sachlich darüber, was wir an Zuwanderung brauchen, sei es aus humanitären oder aus wirtschaftlichen Gründen oder im Hinblick auf unsere Bevölkerungsstruktur. Stattdessen lässt sich die Politik von medial unterstützten Stimmungsaufwallungen leiten.

Was wäre die Alternative?
Demokratische Politik muss wieder vor Ort erlebbar werden, muss Präsenz zeigen. Ich würde mir von den Parteien wünschen, dass sie auf Initiativen in den Kommunen zugehen. Es braucht mehr Rückkoppelung mit der Basis. Und wir müssen die Grundlagen unserer repräsentativen Demokratie neu verhandeln. Das geschieht gerade, aber unter dem Druck von Kräften, die an demokratischer Politik nicht interessiert sind, sondern eher an Dominanz und Machtausübung.

Woher kommt die Ablehnung der etablierten Parteien?
Ein Faktor ist, dass sie hier im Osten – mit Ausnahme der AfD – in der Fläche kaum noch Strukturen haben. Wir befinden uns in einer tiefen Krise der Parteiendemokratie. Nur die AfD hat noch eine treue Stammwählerschaft, für die sie die einzige wählbare Option auf dem Stimmzettel ist. Sie ist auf dem Weg zur Milieupartei im Osten.

Und präsentiert sich als Bollwerk gegen Antisemitismus unter Zuwanderern und als Freundin Israels. Ist das glaubwürdig?
Sicher nicht. Wenn Sie einen am Rand der Nazifizierung stehenden Landesverband wie den in Brandenburg anschauen, erkennen Sie eher das Gegenteil. Hier bedient die AfD in vielerlei Hinsicht antisemitische Klischees. Und ihre Wählerschaft weist, von der der NPD abgesehen, im gesamten Parteienspektrum den höchsten Anteil an Menschen auf, die antisemitischen Aussagen zustimmen.

Mit dem Leiter der Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus am Moses Mendelssohn Zentrum in
Potsdam sprach Michael Thaidigsmann.

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

München

Hugendubel streicht antisemitisches Kinderbuch aus Sortiment

»Sofort nach Kenntnisnahme über dessen Existenz« sei das Malbuch entfernt worden, heißt es aus dem Unternehmen

 01.12.2025

Berlin

Karoline Preisler bei Marsch gegen Antisemitismus

»Es ist ganz besonderer Marsch, weil Männer Frauen und Kinder, Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammengekommen sind«, sagt die Juristin und Politikerin

 01.12.2025

Potsdam

Anne Frank mit Kufiya: Jüdische Gemeinde fordert Ausstellungs-Stopp

Eine Ausstellung im Museum Fluxus+ will Ähnlichkeiten zwischen Palästinensern und Israelis aufzeigen. Doch die Darstellung zieht Kritik aus der Jüdischen Gemeinde und von Brandenburgs Antisemitismusbeauftragten auf sich

 01.12.2025

Interview

»Nach dem Waffenembargo gibt es einiges zu kitten«

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter über den Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in Israel, Siedlergewalt im Westjordanland und die Kooperation mit dem Mossad

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Hamburg

So reagiert die Politik auf den Rücktritt Stefan Hensels

Wegen der vorzeitigen Amtsaufgabe des Antisemitismusbeauftragten macht die CDU dem rot-grünen Senat schwere Vorwürfe. Der Erste Bürgermeister lobt dagegen die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Beauftragten

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert