NS-Verbrechen

Der »Henker von Appingedam«

Angeklagt: Siert Bruins Foto: dpa

Fast 70 Jahre, nachdem der Widerstandskämpfer Aldert Klaas Dijkema hinterrücks erschossen wurde, muss sich der an der Tat beteiligte SS-Mann Siert Bruins vor dem Landgericht Hagen verantworten. Bruins, 92, ist der Letzte auf einer Liste niederländischer NS-Verbrecher des Justizministeriums in Den Haag. Jahrzehntelang lebte er in der Nähe von Hagen – vor Auslieferung geschützt durch einen sogenannten »Führererlass«, der ausländische SS-Schergen zu Deutschen machte.

»Der Prozess gegen Siert Bruins beendet das skandalöse politische Asyl für niederländische NS-Kriegsverbrecher in Deutschland«, kommentiert der Wuppertaler Historiker Stephan Stracke, der sich mit niederländischen und deutschen Kollegen und Antifaschisten beiderseits der Grenze seit den 90er-Jahren dafür einsetzt, niederländische SS-Leute juristisch zu verfolgen.

brutalität Bruins, stationiert beim Grenzposten Delfzijl des Sicherheitsdienstes (SD), flüchtete kurz vor der Befreiung nach Deutschland. Ein niederländisches Militärgericht verurteilte ihn zum Tod, das Urteil wurde später in lebenslänglich umgewandelt. In den Niederlanden ist er wegen seiner Brutalität bei der Bekämpfung des örtlichen Widerstands als »Henker von Appingedam« bekannt.

In den 70er-Jahren wurde Bruins von Simon Wiesenthal enttarnt. Die Staatsanwaltschaft Dortmund stellte aber die Ermittlungen im Fall Dijkema bald ein: Es handele sich nicht um Mord, sondern Totschlag, der sei verjährt, hieß es damals. Wegen Beihilfe zum Mord am jüdischen Brüderpaar Sleutelberg wurde Bruins immerhin zu sieben Jahren Haft verurteilt, allerdings nach fünf Jahren wegen guter Führung entlassen.

opfer Nun wird der Mord an Aldert Klaas Dijkema neu verhandelt. Dessen Neffe Aldert Klaas Veldman war am Montag bei der Eröffnung des Prozesses vor dem Landgericht Hagen anwesend. »Egal, wie lange es her ist«, sagte er, »wer Kriegsverbrechen begangen hat, muss auf die ein oder andere Art dafür büßen.« David Barnouw, Sprecher des Nederlands Instituut voor Oorlogs-, Holocaust- en Genocidestudies (NIOD) in Amsterdam, weist darauf hin, dass Bruins zwar als »letzter niederländischer Kriegsverbrecher« gelte, doch gebe es noch Hunderte unidentifizierte SS-Freiwillige. Immerhin sei es gut, dass Bruins endlich vor Gericht stehe: »Manche sagen, man könne einen so alten Mann nicht mehr belangen. Aber diese Leute haben auch nie nach dem Alter ihrer Opfer gefragt.«

Jom-Kippur-Krieg

Israels Einheit bleibt entscheidend

Vor genau 50 Jahren überfielen Ägypten und Syrien den jüdischen Staat. Was bedeutet der historische Waffengang für die Zukunft?

von Rafael Seligmann  23.09.2023

Bürgermeisterwahl

Antisemitismusbeauftragter warnt vor AfD-Erfolg in Nordhausen

Die Bedeutung der Wahl gehe über die thüringische Stadt hinaus, so Felix Klein

 23.09.2023

Österreich

Ex-Kanzler Kurz im Scheinwerferlicht

Vor dem Gerichtsprozess gegen den Ex-Kanzler werben drei Filme um Aufmerksamkeit

 23.09.2023

Parteien

Nach Flugblatt-Affäre: Plötzlich können sich viele Deutsche die Freien Wähler auch im Bund gut vorstellen

Neue Studie vorgestellt

von Marco Hadem  22.09.2023

Affäre

Nach dem Treffen mit dem Zentralrat: Jetzt spricht Aiwanger

Bayerns Vize-Ministerpräsident gibt Erklärung ab

 22.09.2023

Berlin

»Das war vor drei Jahren nicht möglich«

Gemeinsam beim Abraham Accords Institute: die Botschafter von Israel, Bahrain, Marokko und den VAE

 22.09.2023

Flugblatt-Affäre

Zentralrat der Juden: So war das Treffen mit Hubert Aiwanger

Zentralratspräsident Josef Schuster hat sich mit Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger ausgetauscht

 22.09.2023

Extremismus

Zentralrat der Juden angesichts des Rechts-Ruck der Mitte in Sorge

Josef Schuster: Rechtsextreme Positionen sind auf dem Vormarsch

 22.09.2023

Deutschland

Warum immer mehr Menschen rechtsextreme Positionen teilen

Menschen mit einem gefestigten rechtsextremen Weltbild sind in Deutschland eine relativ kleine Minderheit. Aus einer Befragung für eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung lässt sich allerdings ein beunruhigender Trend ablesen

von Anne-Beatrice Clasmann  21.09.2023