Interview

»Den Protest ernst nehmen«

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: Marco Limberg / Zentralrat der Juden in Deutschland

Herr Schuster, wie haben Sie die Jewrovision am vergangenen Wochenende in Frankfurt erlebt?
Es war ein Fest selbstbewusster Jüdischkeit. Events wie die Jewrovision schweißen die jüdische Gemeinschaft zusammen. Ich bin jedes Mal aufs Neue von den vielen talentierten jungen Menschen inspiriert, die mit ihrer Musik und mit ihrem Tun ganz viel bewegen. Es ist eine besondere Leistung und das Erfolgsgeheimnis, dass es hier eben nicht um die älteren Erwachsenen, sondern um die jungen Menschen geht.

Statt über das eigentliche Event wird jetzt fast ausschließlich über Missfallenskundgebungen während der Rede von Kulturstaatsministerin Claudia Roth gesprochen. Was meinen Sie dazu?
Der Eklat um den Auftritt der Kulturstaatsministerin ist bedauerlich. Warum es dazu kam, liegt aber eindeutig an den Entwicklungen im deutschen Kulturbetrieb, und da hat der Staat als größter Kulturförderer eine bedeutende Verantwortung. Der Protest der jüdischen Jugend muss ernst genommen werden. Diesen einfach abzutun und zur Tagesordnung überzugehen, wäre nicht angemessen. Es muss jetzt endlich etwas passieren. Dazu hat nicht nur der Zentralrat der Juden immer wieder Vorschläge gemacht. Das habe ich der Kulturstaatsministerin auch im Nachgang der Jewrovision geschrieben.

Dem Vernehmen nach hatte sich Frau Roth gewünscht, zur Jewrovision eingeladen zu werden. Hätte man mit dieser Reaktion rechnen können?
Ich habe mich zunächst erst einmal gefreut, dass Frau Roth an der Jewrovision 2023 teilnehmen wollte. Der Besuch einer Kulturstaatsministerin bei dieser Veranstaltung ist in erster Linie eine Form der Anerkennung für die Leistungen der jüdischen Jugendlichen. Aber an eine Rede, in diesem Kontext, knüpfen sich dann natürlich auch hohe Erwartungen. Letztendlich muss man konstatieren, dass es nicht reicht, bei so einem Event ohne ein ernsthaftes Angebot an die jungen Menschen teilzunehmen. Dazu gehört auch, dass es zum Beispiel keine Ansätze gibt, wie jüdische oder antisemitismuskritische Beiträge zu unserer deutschen Kulturlandschaft in Zukunft frei von Angst und Boykottaufrufen gestaltet werden können.

Inzwischen wird in Kommentaren vermutet, die Bundesregierung habe ein »Antisemitismusproblem«. Was sagen Sie dazu?
So einer Aussage muss ich klar widersprechen. Der Zentralrat als Vertretung der jüdischen Gemeinschaft arbeitet auf vielen Ebenen vertrauensvoll, gut und eng mit der Bundesregierung zusammen. Uns ist dies auch in Bezug auf die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sehr wichtig. Hierfür muss sich die Behörde aber bewegen. Das unklare Verhältnis zur »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit« oder zum BDS verstört die jüdische Gemeinschaft zutiefst. Gerade die Kulturförderung muss endlich über klare Vorgaben keinerlei Platz für Antisemitismus lassen.

Mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden sprach Detlef David Kauschke.

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