NEBA-Konferenz

»Das Thema muss nach vorne«

Neugegründet: NEBA Foto: ajc

Antisemitische Parolen bei den Demonstrationen zum Gaza-Krieg, mehr Übergriffe auf Juden laut Kriminalstatistik oder antisemitische Ressentiments in den Feuilletons nach der Berufung Kirill Petrenkos zum Chef der Berliner Philharmoniker: Beispiele, warum sich Juden verunsichert fühlen, gab es bei der Strategiekonferenz des Netzwerks zur Erforschung und Bekämpfung des Antisemitismus (NEBA) am 2. Juli in Berlin zur Genüge. Mehr als 200 Interessierte nahmen an der Konferenz teil, die vom Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ), dem American Jewish Committee (AJC) und der Amadeu Antonio Stiftung initiiert wurde.

indikator Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, sagte: »Antisemitismus bedroht die Moderne und die Juden – beides betrifft uns alle.« Diese These wurde auch von der US-Holocaustforscherin Deborah Lipstadt geteilt: »Der Zustand der Juden ist ein Indikator dafür, wie es um die offene Gesellschaft bestellt ist. Wenn Juden sich unsicher fühlen, steht es schlecht um die Demokratie.« AJC-Direktorin Deidre Berger ergänzte, dass der Kampf gegen Antisemitismus nur gemeinsam gelingen könne – entsprechend sei auch die Gründung von NEBA zu verstehen.

Im ersten Panel unter dem Titel »Erkennen« diskutierten Grünen-Politiker Volker Beck und Jörg Bentmann vom Innenministerium über die Statistik zur »Politisch Motivierten Kriminalität«. Diese Statistik ist Gegenstand regelmäßiger Kritik: Viele Experten beklagen, dass nicht alle antisemitischen Straftaten erfasst werden, da sie nicht als judenfeindlich eingeordnet würden.

Unter der Überschrift »Erforschen« behandelte ein Panel den Stand der Forschung. Die Berliner Soziologin Barbara Schäuble bemängelte, es fehle besonders an Stimmen der Betroffenen. Als etwa im Januar die Expertenkommission Antisemitismus vom Bundesinnenministerium eingesetzt wurde, war zunächst kein einziger Jude darin vertreten. Ebenso in der Kritik stand die Studie »Antisemitismus als Problem und Symbol« des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung: Ihr wird eine Relativierung des heutigen Antisemitismus genauso vorgeworfen wie die Unterstellung der Verfasser, Juden dramatisierten antisemitische Vorfälle.

bildung Im dritten Panel, »Bekämpfen«, unterschied Anetta Kahane drei Ebenen, auf denen Judenhass bekämpft werden müsse: Politik, Gesellschaft und Bildung. Lehrer und Jugendleiter müssten besser und früher geschult werden, Antisemitismus zu erkennen und anzugehen. Zudem müssten auch die Sozialen Netzwerke in den Fokus rücken.

»Die Konferenz hat mir die Komplexität des Themas noch einmal deutlich gemacht«, fasste Deidre Berger zusammen. »Antisemitismus muss ganz vorne auf die Agenda.« NEBA entwickelt nun einen Forderungskatalog an die Politik.

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Gaza

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat nennt Ausladung Shanis »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Urteil

Bundesgerichtshof bestätigt Geldstrafen gegen Höcke

Das Landgericht Halle habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der AfD-Politiker die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland« und »Alles für« gerufen hat

 11.09.2025