Berlin

Bundestag debattiert über Museum zu Zweitem Weltkrieg

Foto: IMAGO/Future Image

Der Bundestag berät am Donnerstag über die Errichtung eines Dokumentationszentrums zur Erforschung des Zweiten Weltkriegs und zur Besatzungsherrschaft Nazideutschlands. Weil fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa wieder ein Angriffskrieg tobt, der von Russlands Staatspräsident Wladimir Putin auch mit historischen Argumenten gerechtfertigt wird, ist es nach den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sehr wichtig, das Projekt jetzt auf den Weg zu bringen. Bereits im Mai hatte das Bundeskabinett dem Vorhaben zugestimmt.

Zuständig ist das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin. Es hat zusammen mit internationalen Opferverbänden sowie mit einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe und den Leitern deutscher NS-Erinnerungseinrichtungen ein Konzept entwickelt.

Gesucht wird ein Standort in der Mitte Berlins. Insgesamt sollen laut Vorlage rund 15.000 Quadratmeter für die Ständige Ausstellung, Wechselausstellungen, die eigene Sammlung, das Gedenken an die Opfer, Veranstaltungen und das Bildungsprogramm sowie für das Personal zur Verfügung stehen.

»Wir stellen unsere Erinnerungspolitik bewusst in den europäischen Zusammenhang«, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). »Aus gemeinsamer Erinnerung soll gemeinsame Zukunft erwachsen.« Das Dokumentationszentrum solle beleuchten, »wie die verheerende NS-Diktatur Krieg, Zerstörung und Vernichtung bis hin zum Menschheitsverbrechen des Holocaust über ganz Europa gebracht hat«.

Aus Sicht der Bundesregierung ist in Deutschland das Wissen über die Kriegführung und die deutsche Gewaltherrschaft außerhalb von Fachkreisen gering. Für viele Menschen in den europäischen Nachbarstaaten sei die Erinnerung an die Schrecken der Besatzungsherrschaft aber weiter sehr lebendig, heißt es in der Unterrichtung für den Bundestag. Das gelte »besonders für die Nachkommen der Menschen etwa in der Ukraine, Russland, Polen, Belarus oder den Niederlanden. Und gilt für Juden, Roma und Sinti, Homosexuelle, Zwangsarbeiter und andere.«

Das alles hat Auswirkungen bis heute, wie der Schweizer Historiker Raphael Gross betont, der seit 2017 Präsident des DHM ist und für das Dokumentationszentrum verantwortlich zeichnet. Zum Beispiel in Griechenland: Als Deutschland in der Finanzkrise mehr Disziplin forderte, erinnerten viele Griechen an Hunderttausende Opfer des deutschen Besatzungsregimes.

Inhaltlich sollen im Dokumentationszentrum der Kriegsverlauf mit seinen Umbrüchen und das sehr unterschiedliche Vorgehen der Wehrmacht bei Einmarsch oder Rückzug eine Rolle spielen. Es geht auch um die verschiedenen Formen der Besatzungsherrschaft: Zivilverwaltung, Militärverwaltung, Annexionen, abhängige (Rest-)Staatlichkeit oder die vollständige Zerschlagung staatlicher Strukturen.

Rund 230 Millionen Menschen in 27 Staaten haben nach Angaben der Bundesregierung zwischen 1939 und 1945 unter deutscher Besatzung gelitten. »Die meisten deutschen Verbrechen geschahen nicht im Zusammenhang mit Kampfhandlungen, sondern im Rahmen der deutschen Besatzungsherrschaft und der radikalen Umsetzung der Rassenideologie. Die Mehrheit der Todesopfer waren Zivilistinnen und Zivilisten.«

Der Chef des Deutschen Historischen Museums hat bereits dargelegt, wie er sich das Dokumentationszentrum vorstellt. »Wir wollen Themen und Tatkomplexe schildern: etwa Zwangsarbeit. Hunger. Geiselerschießungen, Massenerschießungen«, sagte er der »Süddeutschen Zeitung« im November. »Wenn wir etwa zeigen, dass die Ärzte, die schon vor 1933 an Euthanasie beteiligt waren, später auch bei der Vergasung in den besetzten Gebieten dabei waren, haben wir auch Aufklärung für das deutsche Publikum geleistet.«

Das Zentrum will also auch über die Kriegs- und Besatzungszeit hinausgehen - zumindest in Wechselausstellungen. Dort könne man etwa beschreiben, wie die Verbrechen nach 1945 in den beiden deutschen Staaten geahndet wurden, so Gross. Oder wie der Warschauer Aufstand von 1944 später in Polen, der DDR und der Bundesrepublik gesehen wurde. »Diese Geschichte lässt sich über 1945, 1968, den Mauerfall 1989 bis heute verfolgen.«

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