Berlin

»Bringschuld seitens der Verbände«

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: Andreas Lohnes

Berlin

»Bringschuld seitens der Verbände«

Zentralratspräsident Schuster sieht Vertreter der muslimischen Gemeinschaft im Kampf gegen Judenhass in der Pflicht

 27.03.2018 17:45 Uhr

Nach dem Fall von religiösem Mobbing an einer Berliner Grundschule steigt der Druck auf die muslimischen Verbände. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sprach am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin von einer »Bringschuld seitens der muslimischen Verbände«.

Nach Einschätzung des Zentralratspräsidenten müssten die muslimischen Verbände ganz konkret darauf achten, was von einigen Imamen innerhalb der Moscheen gepredigt werde. Polizei und Politiker forderten zudem die Einrichtung eines bundesweiten Registers für Vorfälle dieser Art.

Großstädte Mit Blick auf die Inhalte islamischer Predigten sagte Schuster: »Hier ist, glaube ich, einiges im Argen.« Er äußerte sich besorgt über eine wachsende Zahl antisemitischer Vorfälle besonders in Großstädten. Zwischen jüdischen und muslimischen Verbänden gebe es zwar eine Zusammenarbeit, aber was die Frage des Antisemitismus angeht, gebe es bislang wenig gemeinsame Projekte, sagte der Zentralratspräsident weiter.

Als Reaktion darauf bot der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, am Dienstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter an, dass zehn Imame »vorzugsweise mit Rabbinern in die Klassen gehen und für Dialog, Aufklärung und gegenseitige Achtung aus ihren religiösen Selbstverständnis werben«.

Mazyek erklärte weiter: »Ich würde mich freuen, wenn die jüdischen Gemeinden mitmachen.« Zusätzlich stelle der Zentralrat der Muslime junge Peertrainer und -trainerinnen für religiöse und weltanschauliche Vielfalt und Verständigung zu Verfügung, sagte Mazyek.

Statistik Schuster unterstützte angesichts einer Zunahme von Antisemitismus und religiösem Mobbing in Schulen den Vorschlag, eine bundesweite Statistik für Vorfälle dieser Art einzurichten. Die Deutsche Polizeigewerkschaft verlangte in der »Bild«-Zeitung ein »Bundeslagebild zur Gewalt an Schulen«.

Der baden-württembergische Landesbeauftragte gegen Antisemitismus, Michael Blume, sprach sich ebenfalls für eine bundesweite Statistik zur Erfassung von Gewaltvorfällen an Schulen aus. Eine Statistik helfe zu sehen, »wo man nachsteuern muss«, sagte Blume.

Der Fraktionsvize der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Harbarth, sagte, wer jüdisches Leben in Deutschland ablehne, sei nicht Teil unserer Gemeinschaft. Antisemitismus sei nicht integrierbar. »Wir können das Problem an den Schulen aber nicht allein den Lehrerinnen und Lehrern aufbürden. Die Länder müssen mit allen Mitteln der Konzentration von Migranten an bestimmten Schulen entgegenarbeiten.« Dafür gebe es unter anderem das Mittel der Wohnsitzauflage.

ausgrenzung Unterdessen meldete sich auch der Vater des betroffenen Mädchens zu Wort. Es gehe bei dem Vorfall nicht um Antisemitismus, sagte der 41-Jährige dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag in Berlin. »Es geht darum, dass einige Kinder aus muslimischen Elternhäusern andere Kinder verfolgen oder mobben, nur weil sie nicht an Allah glauben.« Dabei sei völlig egal, ob es sich um Christen, Atheisten, Juden oder andere handele. Aber auch innerhalb der muslimischen Schülerschaft würden Kinder ausgegrenzt, weil sie beispielweise »in die falsche Koranschule gehen«.

Die Tochter des Mannes wurde nach seinen Aussagen an der Paul-Simmel-Grundschule in Berlin-Tempelhof in den vergangenen Jahren mehrfach von muslimischen Schülern angepöbelt, weil sie nicht an Allah glaubt. Auch mit dem Tode sei ihr deswegen von muslimischen Mitschülern gedroht worden.

Der Vater betont, dass die Mitschüler bei den ersten Beschimpfungen und Drohungen noch gar nichts davon gewusst hätten, dass ein Elternteil des Mädchens jüdischer Herkunft sei. Das spiele im Leben der Familie aber auch keine Rolle, weil sie nicht religiös seien.

zusammenleben Politik, Bildungsverwaltung und Schulleitung wirft der Mann vor, gegen dieses Klima der Ausgrenzung nichts zu unternehmen und die Vorfälle zu relativieren. Die Familie habe deshalb keine andere Möglichkeit gesehen, als sich an die Medien wenden.

Auch die Frauenrechtlerin, Anwältin und Gründerin einer liberalen Moscheegemeinde Seyran Ates sieht in dem Vorfall eine prinzipielle Geschichte. »Es geht hier eben nicht nur um Antisemitismus«, sagte Ates der »Berliner Zeitung«.

Es gehe hier auch um die Frage, »wie wir als Gesellschaft künftig zusammenleben wollen. Werte wie Toleranz und universelle Menschenrechte sollten weiter die Grundlage unseres Zusammenlebens sein«, so Ates. epd

Sanktionen

Von der Leyen: EU-Kommission stoppt Zahlungen an Israel

Unter anderem wegen des Widerstandes der Bundesregierung kann sich die EU bislang nicht auf Strafmaßnahmen gegen Israel einigen. Nun kommt es zu einem Alleingang der Europäische Kommission

 10.09.2025

Debatte

Genozid-Experten fordern Rücknahme der Völkermord-Resolution

Mehr als 500 Wissenschaftler und Institutionen fordern von der International Genocide Scholars Association, ihre Anschuldigungen zurückzunehmen

 10.09.2025 Aktualisiert

Nahost

Israels Luftwaffe greift erneut im Jemen an

Immer wieder feuern die Huthi im Jemen Raketen und Drohnen in Richtung Israel. Der jüdisch Staat regiert mit Gegenschlägen

 10.09.2025

Berlin

Francesca Albanese bei Tagung an der Freien Universität

Der umstrittenen UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese wird immer wieder Antisemitismus vorgeworfen. Am Mittwoch war sie zu Gast an einer Berliner Universität

 10.09.2025

Berlin

Israel-Vorstoß: Wadephul und Dobrindt widersprechen von der Leyen

Während der Bundesaußenminister nochmal über eine Aussetzung der Unterstützungszahlungen der EU sprechen will, wird der Innenminister deutlicher

 10.09.2025

Washington D.C.

Brisanter Scheck: Epstein-Foto heizt Debatte um Trump an

Seit Monaten schwelt die Debatte über Verbindungen des Straftäters zum Präsidenten. Nach einem angeblichen Brief von letzterem wirft nun das Foto eines Schecks Fragen auf

 10.09.2025

Meinung

Eskalation in Katar?

Es ist heuchlerisch, Katar als Friedensvermittler zu bezeichnen. Wer die Hamas in Gaza unterstützt, in Doha Terroristen hofiert und mit Al Jazeera weltweit den Hass auf den jüdischen Staat befördert, sollte sich nicht wundern, wenn Israel zurückschlägt

von Philipp Peyman Engel  10.09.2025

Generalbundesanwaltschaft

Anklage gegen »Sächsische Separatisten«

Ihnen werde »die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens« vorgeworfen, hieß es

 10.09.2025

Analyse

Ursula von der Leyen macht Israel zum Bauernopfer

Vor dem Europaparlament schlägt die EU-Kommissionspräsidentin harte Töne gegen Israel an - wohl wissend, dass die notwendige Mehrheit für Sanktionen womöglich nie zustande kommt. Eine Analyse

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025