Interview

»Besuch beim Schmuddelkind«

Leo Fischer Foto: dpa

Interview

»Besuch beim Schmuddelkind«

»Titanic«-Chefredakteur Leo Fischer über die geplante Israelreise der Satirezeitschrift

von Michael Wuliger  07.12.2010 14:17 Uhr

Herr Fischer, Sie kündigen für nächstes Jahr eine Leserreise nach Israel an. Ernsthaft?
Solche Reisen haben bei Titanic eine lange Tradition. Unter anderem besuchte die Redaktion schon Albanien, Kuba und Vietnam. Alle diese Länder haben von unserem Besuch profitiert. Zum Zeitpunkt unserer Reise war etwa Albanien von Korruption und Staatsverschuldung gezeichnet, heute ist das Land potenzieller Beitrittskandidat der EU.

Warum ausgerechnet Israel? Suchen Sie vielleicht das jüdisch-christliche Erbe, von dem Frau Merkel so gerne spricht?
Nein, bei unseren Reisen geht es um Länder, die traditionell als Schmuddelkinder der Staatengemeinschaft gelten. Wir wollen das Land besser kennenlernen, das Image korrigieren. Im Gespräch war zunächst eine Reise ins EU-Protektorat Griechenland, wir erwogen auch Nordkorea. Mit großer Mehrheit fiel dann die Wahl auf Israel – vor allem, weil es ein geteiltes, ein zerrissenes Land ist. Gemäß Chlodwig Poth ist »die endgültige Teilung Deutschlands« der Auftrag von Titanic, und auch unser politischer Arm, die Partei »Die PARTEI«, setzt sich für den Wiederaufbau der Mauer ein. Israel ist in dieser Hinsicht ein Mauer-Wunderland: die Klagemauer, die Sperranlagen, Golda Maur – mit Mauern hat das Land beste Erfahrungen. Die hier gewonnenen Erkenntnisse wollen wir für Deutschland fruchtbar machen.

Von Israel lernen, heißt siegen lernen?
Mit Sicherheit. Titanic und Israel haben viel gemeinsam – viele Gegner, viele falsche Freunde und, wenn man UN-Beschwerden mit Presseratsrügen gleichsetzen will, die gleichen Probleme.

Auf dem Programm steht unter anderem ein »Gang über den Jordan«. Zu Fuß?
Das empfiehlt sich bekanntlich nur, wenn man eine Bundeslade dabei hat. Leider haben wir unser Exemplar noch nicht im Requisitenkeller wiedergefunden.

An der Klagemauer in Jerusalem kann man kleine Zettel in die Ritzen stecken, mit Wünschen an Gott. Was wünschen Sie sich?
Dass sich die ganzen Muslime jetzt auch mal abregen und fünfe gerade sein lassen – zu unser aller Wohl.

Ein sehr frommer Wunsch.
Dann wünsche ich mir natürlich auch einen gelungenen Kulturaustausch: Unter anderem wollen die Titanic-Maler Rudi Hurzlmeier und Michael Sowa die Reise zu einem Ausstellungs-Happening in Jerusalem nutzen, die Levante behutsam an komische Kunst aus Deutschland heranführen. Ein Experiment mit ungewissem Ausgang!

Glauben Sie, dass Ihre Reise auch dazu beitragen kann, den festgefahrenen Nahostfriedensprozess wieder in Gang zu bringen?
Zumindest erwarten wir, dass sich die Konfliktparteien für die Dauer unseres Aufenthalts wenigstens ein bisschen zurückhalten, damit wir das Land ungestört bereisen können. Wir von Titanic verurteilen Konflikte jeglicher Art, sofern wir von ihnen betroffen sind.

Das Gespräch führte Michael Wuliger.

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