Berlin

Bespuckt, getreten und geschlagen

Shahak Shapira sieht so gar nicht aus, wie sich viele Deutsche einen Israeli vorstellen. Mit seinen blonden Haaren und dem Dreitagebart erinnert der 26-Jährige eher an den jungen Hardy Krüger. Nichtsdestoweniger ist der junge Mann in der Silvesternacht am Berliner Bahnhof Friedrichstraße Opfer eines antisemitischen Angriffs geworden – weil er Jude ist und weil er Zivilcourage bewies.

Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen berichtet Shapira, dass er in der Tatnacht mit Freunden auf dem Weg zu einer Party gewesen sei. Nach dem Einstieg am U-Bahnhof Hallesches Tor sei ihm in dem vollen Wagon dann eine siebenköpfige Gruppe von etwa 18- bis 21-jährigen jungen Männern durch ihre antisemitischen Hassgesänge aufgefallen. »Sie riefen ›Fuck Juden‹ und ›Fuck Israel‹«, erklärt Shapira. Daraufhin habe er sie aufgefordert, das zu unterlassen, und begonnen, die Gruppe mit seinem Handy zu filmen.

gewalttätig Was den Israeli besonders schockierte: Bis auf zwei andere Männer, die direkt neben der Gruppe saßen, habe sich niemand eingemischt und versucht, die volksverhetzenden Gesänge zu unterbinden. Um 2.30 Uhr stiegen dann sowohl Täter als auch Opfer an der Friedrichstraße aus. Die Männer hätten dann aggressiv gefordert, die Filmaufnahmen auf seinem Mobiltelefon zu löschen, erinnert sich Shapira. Als er sich geweigert habe, sei er bespuckt, geschlagen und getreten worden. Auch zwei seiner Freunde seien gewalttätig bedroht worden.

Shapira erlitt eine Platzwunde sowie Prellungen am Kopf. Anders als von einigen Medien berichtet, seien er und seine Freunde nicht von Sicherheitsmitarbeitern der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gerettet worden, sondern hätten sich in die nächste U-Bahn geflüchtet. Erst als diese losfuhr, seien die BVG-Mitarbeiter aufgetaucht. Dennoch konnten die Täter fliehen.

Der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt Berlin übernahm die Ermittlungen. Auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen bestätigte eine Sprecherin, dass wegen Körperverletzung und Volksverhetzung ermittelt wird. Derzeit würden noch Videoaufnahmen und Zeugenaussagen ausgewertet. Shapira sagt, die Täter hätten untereinander Türkisch oder Arabisch gesprochen. Dennoch habe er »überhaupt keinen Bock auf Araberhass und auch keine Rachegefühle«, wie er betont.

sprüche Seit über zwölf Jahren lebt Shapira in Deutschland, arbeitet in Berlin als Creative Director und spricht akzentfrei Deutsch. Er habe bereits vor Jahren beim Fußballspielen antisemitische Sprüche gehört, erzählt der Israeli. Damals habe er sich geärgert, nichts dagegen unternommen zu haben. Dabei gehe es ihm nicht speziell um Antisemitismus: »Ich hätte mich auch eingemischt, wenn jemand ›Fuck Palästina‹ gesungen hätte.«

Die Botschaft des Staates Israel bewertet den Übergriff als Teil einer Reihe zahlreicher antisemitischer Vorfälle, die sich in den letzten Monaten in Europa ereignet haben. »Dass es überhaupt Antisemitismus im 21. Jahrhundert gibt, ist eine Schande«, teilte Botschafter Yakov Hadas-Handelsman mit. »Dass er in Europa auftritt, ist eine noch größere Schande, und wenn es in Deutschland passiert, ist es am schlimmsten.«

Levi Salomon, Sprecher des Jüdischen Forums für Demokratie und Antisemitismus, lobte die Zivilcourage des jungen Mannes – und berichtet von zahlreichen weiteren gewalttätigen und anderen Angriffen auf Berliner Juden in den letzten Jahren. Der jüngste Vorfall: Am 3. Januar entdeckte eine Charlottenburgerin, dass jemand in die Motorhaube ihres Autos ein Hakenkreuz geritzt hatte. Nach Polizeiangaben ist die Frau Mitglied der Jüdischen Gemeinde. Auch hier ermittelt der Polizeiliche Staatsschutz.

Kommentar

Der Antrag gegen Andreas Büttner ist begründet

Die Linke will Brandenburgs Antisemitismusbeauftragten aus der Partei ausschließen. Gut so. Die beiden passen nicht zusammen, denn: Büttner hat Anstand, seine Partei nicht

von Andrej Hermlin  05.08.2025

Fußball

Wegen Hass-Postings: Shon Weissmans Wechsel zu Fortuna geplatzt

Der Israeli hatte nach dem 7. Oktober 2023 gefordert, Gaza auszulöschen

 05.08.2025 Aktualisiert

Hannover

Die Linke: AGs verlangen klare Haltung zu israelfeindlichen Protesten

Internationale Solidarität mit Palästina dürfe nicht bedeuten, »stillschweigend islamistische Unterdrückung zu dulden, solange sie sich gegen Israel richtet«, heißt es in einem Brief an den Bundesvorstand der Partei

 05.08.2025

Terror-Verherrlichung

Darf man sein Kind nach einem Hamas-Terroristen benennen?

In Leipzig haben Eltern ihren Neugeborenen nach dem getöteten Hamas-Chef Yahya Sinwar benannt. Jetzt äußert sich das Standesamt

 05.08.2025

Washington D.C.

Klingbeil: In Gaza-Debatte Druck auf beide Seiten hochfahren

Die Bundesregierung müsse klar benennen, dass die Hamas die Verantwortung für die Eskalation trage, aber dass Israel auch eine wahnsinnig hohe Verantwortung habe, sagt der Finanzminister

 05.08.2025

Leipzig

Eltern nennen ihren neugeborenen Sohn Yahya Sinwar

In der Uniklinik Leipzig suchten Eltern einen problematischen Namen für ihr Neugeborenes aus. Eine kleine Recherche zeigt: Yahya ist kein Einzelfall

von Imanuel Marcus  04.08.2025 Aktualisiert

Meinung

Die Folgen wären fatal - auch für uns

Warum der Ausschluss Israels aus »Horizon Europe« ein Fehler wäre und Deutschland mit Nein stimmen sollte

von Carsten Ovens  04.08.2025

Berlin

CDU-Politiker Kiesewetter kritisiert deutsche Nahost-Politik

Kanzler Merz und Außenminister Wadephul (beide CDU) prägen die Nahost-Politik der Bundesregierung. Deutliche Kritik daran kommt aus den eigenen Reihen

 04.08.2025

Interview

»Als deutscher Außenminister muss ich Israel aus der Isolation helfen«

Bundesaußenminister Johann Wadephul war gerade zum zweiten Mal in drei Monaten in Israel. Im Interview spricht er über die Gründe des Besuchs, seine zunehmende Missbilligung des israelischen Vorgehens in Gaza sowie die Kritik, die es seit seinem Amtsantritt an ihm gegeben hat

von Joshua Schultheis  03.08.2025