Kippa-Angriff

Beschuldigter Bonner Polizist verbreitete Goebbels-Zitat

Abzeichen der nordrhein-westfälischen Polizei Foto: dpa

Es ist genau zweieinhalb Wochen her, dass in Bonn der jüdische Hochschulprofessor Yitzhak Melamed aus den USA angegriffen wurde. Zuerst von einem jungen Mann mit palästinensischen Wurzeln, der ihm »I fuck Jews« und »Kein Jude in Deutschland« hinterherrief. Und wenige Augenblicke später von Bonner Polizisten, die den Gastprofessor aus den USA mit dem Täter verwechselten – und laut Aussagen des Opfers massiv körperlich attackierten.

Die Bonner Polizeipräsidentin entschuldigte sich daraufhin persönlich bei dem jüdischen Mann. Gegen die Beamten, die den Wissenschaftler verletzt hatten, wird wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt. Aus Neutralitätsgründen übernahm das Polizeipräsidium Köln die Ermittlungen.

Erkenntnisse Nun wurde bekannt, dass gegen einen der beschuldigten Polizisten schon einmal wegen einer rechtsextremen Äußerung ermittelt wurde. Während des G7-Gipfels auf Schloss Elmau vor drei Jahren hatte der Beamte mit anderen Polizisten über private Funkgeräte das Goebbels-Zitat »Wollt ihr den totalen Krieg« verbreitet. Dies bestätigte das Innenministerium Nordrhein-Westfalens auf Anfrage.

Nach Bekanntwerden des Funkspruches hatte die Staatsanwaltschaft München damals wegen der Funksprüche ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, sah aber kein strafbares Handeln. Das Zitat stammt von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, der den betreffenden Satz in seiner sogenannten Sportpalastrede 1943 nach der Niederlage von Stalingrad gehalten hatte und darin zum »totalen Krieg« aufrief.

Der Innenminister Nordrhein-Westfalens, Herbert Reul, erklärte in einer Pressemitteilung: »Da der Beamte nach den damaligen Feststellungen des Polizeipräsidiums Bonn den fraglichen Funkspruch auch gar nicht selbst abgesetzt hatte, wurde das parallel laufende Disziplinarverfahren eingestellt.«

Körperverletzung Darüber hinaus wurde jetzt bekannt, dass gegen einen weiteren im Bonner Fall beschuldigten Polizisten in der Vergangenheit ebenfalls schon einmal ermittelt wurde. Es handelte sich um den Verdacht auf Körperverletzung im Amt. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.

Der Philosophieprofessor Yitzhak Melamed war am 11. Juli im Bonner Hofgarten von einem palästinensischstämmigen Täter attackiert worden. Der 20-Jährige war der Polizei wegen Gewalt- und Drogendelikten bereits bekannt und stand zum Tatzeitpunkt offenbar unter Drogeneinfluss.

Wegen psychischer Auffälligkeiten wurde er laut Polizei in eine Fachklinik eingeliefert, aus der er aber am Folgetag entlassen wurde. Die Ermittlungsbehörden entließen ihn anschließend wegen fehlender Haftgründe nach Hause.

messer Einige Tage darauf geriet der Täter nach Polizeiangaben im Hofgarten mit mehreren Menschen in Streit. Dabei habe er mehrere der am Streit Beteiligten mit einem Messer bedroht, aber niemanden verletzt. Nach einer Fahndung wurde der Mann, der offenbar wieder unter Drogeneinfluss stand, erneut von der Polizei festgenommen. ­

Aus Solidarität mit dem angegriffenen Professor hielt die Stadt Bonn am 19. Juli eine große Kundgebung gegen Antisemitismus ab. Die Veranstaltung unter dem Motto »Tag der Kippa« fand auf dem zentralen Marktplatz in Bonn statt und wurde von über 500 Bürgern besucht.

Es sprachen unter anderem Bonns Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan (CDU) und Margaret Traub, die Vorsitzende der Bonner Synagogengemeinde. ja

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat nennt Ausladung Shanis »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Urteil

Bundesgerichtshof bestätigt Geldstrafen gegen Höcke

Das Landgericht Halle habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der AfD-Politiker die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland« und »Alles für« gerufen hat

 11.09.2025

Antisemitismus

Gesetze der Ausgrenzung - Vor 90 Jahren wurden die antijüdischen Nürnberger Gesetze erlassen

Die menschenverachtenden Nürnberger Gesetze bildeten die juristische Legitimation für Entrechtung, Ausgrenzung und Verfolgung von Juden im nationalsozialistischen Deutschland. Erlassen wurden sie vor 90 Jahren

von Jutta Olschewski  11.09.2025

Berlin

Zentralrat: Empathie mit Juden hat »dramatisch abgenommen«

In seinem Tätigkeitsbericht spricht der Zentralrat von einer neuen Dimension des Antisemitismus in Deutschland

 11.09.2025 Aktualisiert

München/Gent

Entsetzen nach Ausladung von Dirigent Shani

Kurz vor ihrem Auftritt werden die Münchner Philharmoniker wegen ihres Dirigenten aus Israel von einem Festival in Belgien ausgeladen. Deutsche Politiker sprechen von Skandal und Schande

 11.09.2025 Aktualisiert

Ulm/Stuttgart

Nach Angriff auf israelisches Unternehmen: Fünf Tatverdächtige in Haft

Zwei Männer und drei Frauen müssen sich auch wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verantworten

 11.09.2025

Orem

»Politisches Attentat«: Einflussreicher Trump-Anhänger tot

Der rechtskonservative Podcaster Charlie Kirk spricht an einer US-Universität im Freien. Dann fällt ein Schuss. Der US-Präsident verkündet später Kirks Tod

von Anna Ringle, Franziska Spiecker  11.09.2025