Berlin

Antisemitismus-Konferenz beendet

Zum dritten Mal richtete die Interparlamentarische Koalition zur Bekämpfung von Antisemitismus (ICCA) ihre Konferenz gegen Antisemitismus aus. Foto: Ayala Goldmann

Die dritte Internationale Parlamentarierkonferenz zur Bekämpfung des Antisemitsmus in Berlin ist am Dienstag ohne konkrete Forderungen beendet worden.

Die organisatorische Leiterin der Konferenz, Antonia Schmid, sagte der Jüdischen Allgemeinen am Dienstagabend, man habe sich aber auf die Einrichtung dreier internationaler Arbeitskreise zu den Themen Hass im Internet, Antisemitismus in der Migrationsgesellschaft und Antisemitismus im Sport (vor allem im Fußball) geeinigt. Die Forderungen der beiden vorherigen Konferenzen 2009 in London und 2010 in Ottawa seien weiterhin aktuell, so Schmid weiter.

Prominenz Zu der Konferenz waren neben etwa 100 Parlamentariern aus fast 40 Ländern auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gekommen. Steinmeier sagte am Dienstag, im Rahmen seines OSZE-Vorsitzes wolle Deutschland wolle sich für konkrete Schritte gegen Antisemitismus einsetzen.

Schwerpunkte seien die Verbesserung der Sicherheit für jüdische Einrichtungen, effektive Bildungsarbeit sowie die Stärkung von Dialog und zivilgesellschaftlichem Engagement. Steinmeier verwies dabei auf das Projekt »Taten statt Worte« im Rahmen des deutschen Vorsitzes der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Der Bundestag habe dafür spezielle Mittel zur Verfügung gestellt.

In seiner Rede betonte Steinmeier, die Anschläge von Paris, Brüssel und Toulouse zeigten auf erschreckende Weise, dass es in Europa noch Antisemitismus gibt. »Das zeigen aber auch die dumpfen, von Vorurteilen und Hass geprägten Parolen, die wir an vielen Orten Europas hören – auch hier bei uns in Deutschland«, sagte Steinmeier.

Flüchtlinge Am Montag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Konferenz Verständnis für die Sorge innerhalb der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland vor wachsendem Judenhass durch Flüchtlinge geäußert. Auch Steinmeier sagte, der Kampf gegen Antisemitismus in muslimischen Gesellschaften angesichts der Flüchtlinge ein wichtiges Thema.

Für jeden, der hier lebt, müsse klar sein: »Antisemitismus geht gegen unsere Verfassung, geht gegen unsere Zivilisation, steht gegen alles, woran wir glauben, und alles, was wir gelernt haben«, sagte Steinmeier. Anzukommen im Herzen der deutschen Gesellschaft bedeute auch, das Bekenntnis gegen den Antisemitismus im Herzen anzunehmen.

Sorge Merkel hatte zuvor den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, verteidigt, der für entsprechende Äußerungen kritisiert worden war. Es sei »völlig legitim«, wenn er Sorgen äußere angesichts von Menschen, »die mit israelfeindlichen und judenfeindlichen Prägungen aufgewachsen sind«, sagte Merkel. Es gehe um die Sorge, dass die Bilder, mit denen die Menschen aufgewachsen sind, hierher importiert würden.

Ihre Antwort laute: »Jedem, der in Deutschland lebt, ob als Alteingesessener oder neu Hinzugekommener, muss klar sein, dass Antisemitismus und Vorurteile gegen andere Menschen bei uns keinen Platz haben dürfen«, sagte Merkel. Versuche, die grundgesetzlich verbürgte Glaubens- und Religionsfreiheit oder die Gleichbehandlung von Frau und Mann infrage zu stellen, stellten das freiheitliche Gemeinwesen insgesamt infrage und würden »von uns nicht toleriert«, so Merkel.

Zentralratspräsident Schuster warnte indes erneut vor «importiertem Antisemitismus». Im Gespräch mit dem epd forderte er Integrationsprogramme für Menschen, «die aus Ländern zu uns kommen, in denen Antisemitismus und Hass auf Israel zum Alltag gehören». Schuster forderte weiter, bei der Konferenz die ganze Bandbreite von Antisemitismus zu benennen, »die von rechtsextremem über muslimischen Antisemitismus bis hin zum vermeintlich verdeckten Antisemitismus in Gestalt unsachlicher Kritik an Israel reicht«.

Zehn-Punkte-Plan Das Netzwerk zur Bekämpfung und Erforschung des Antisemitismus (Neba), dem unter anderem das American Jewish Committee (AJC) und die Amadeu Antonio Stiftung angehören, legte zur Konferenz einen Zehn-Punkte-Plan zur Bekämpfung des Antisemitismus vor. Neben langfristig angelegten Forschungen schlug das Bündnis vor, bundesweite Informationsstellen zu fördern, die im gemeinsamen Austausch mit jüdischen Gemeinden und Sicherheitsbehörden das «Dunkelfeld» der alltäglichen Judenfeindlichkeit öffentlich machen sollen.

Die internationale Parlamentarierkonferenz gegen Antisemitismus fand zum ersten Mal 2009 in London und danach 2010 in Ottawa statt. Dort wurde eine Erklärung, die 34 Punkte umfasst, erarbeitet und verabschiedet, wie Antisemitismus effektiver als bislang bekämpft werden kann. (mit epd)

Lesen Sie mehr über die Konferenz in der nächsten Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

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