Kardinal Müller

»Antisemitische Chiffre«

Kardinal Gerhard Ludwig Müller an seinem letzten Amtstag als Leiter der Römischen Glaubenskongregation in der Mainzer Kirche St. Stephan (2017) Foto: imago images/Sämmer

Der deutsche Kardinal und hohe Vatikan-Richter Gerhard Ludwig Müller hat Verschwörungsmythen über eine angeblich geplante Gleichschaltung der Menschen und einen Überwachungsstaat verbreitet. Der frühere Regensburger Bischof sprach in einem Interview davon, dass hinter Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie eine finanzkräftige Elite stecken würde.

»Leute, die auf dem Thron ihres Reichtums sitzen«, sehen angeblich »eine Chance jetzt, um ihre Agenda durchzusetzen«, wie der 73-Jährige behauptete. Es gebe ein gewisses Chaos, »auch geboren aus dem Willen, die Gelegenheit zu nutzen, die Menschen jetzt gleichzuschalten, einer totalen Kontrolle zu unterziehen, einen Überwachungsstaat zu etablieren ...«

VIDEO Das katholisch-konservative »St. Bonifatius Institut« aus Österreich hatte vorige Woche von dem Gespräch mit dem früheren Chef der Glaubenskongregation ein 2,19 Minuten langes Video gewittert.

Müller sagte, er wolle »eigentlich nicht geschaffen und erlöst werden« von Leuten wie dem früheren Microsoft-Chef Bill Gates.

Müller bestätigte der Deutschen Presse-Agentur per E-Mail die Echtheit des Interviews. Der Vatikan reagierte auf dpa-Anfrage zunächst nicht. »Man wundert sich sehr über diese Theorien«, schrieb der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, am Montagnachmittag auf Twitter. »Kardinal Müller spricht hier – davon gehe ich aus – als Privatperson.«

Solche Formulierungen kommen in Verschwörungstheorien vor und werden auf die Corona-Pandemie übertragen. Der Politikwissenschaftler und Experte für solche Theorien Jan Rathje sagte der dpa zu Müllers Behauptungen: »Die Aussagen lassen sich größtenteils verschwörungsideologisch werten.«

GEORGE SOROS Durch den Begriff »Gleichschaltung« ziehe er »einen Vergleich zum Nationalsozialismus, der dadurch verharmlost wird«, sagte der Experte des Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS). Darüber hinaus erwähnt Müller in seiner Rede den jüdischen Geschäftsmann George Soros, »was als antisemitische Chiffre gewertet werden kann«, sagte Rathje.

Müller sagte, er wolle »eigentlich nicht geschaffen und erlöst werden« von Leuten wie dem früheren Microsoft-Chef Bill Gates oder Klaus Schwab, dem Chef des Weltwirtschaftsforums in Davos. Die beiden Männer tauchen so wie Soros häufig in Verschwörungsmythen auf.

Der 73-jährige Müller war nach seiner Bischofszeit in Regensburg vom damaligen Papst Benedikt XVI. als Chef der Glaubenskongregation in den Vatikan geholt worden. Dort schied er nach nur einer Amtszeit von fünf Jahren aber schon wieder aus. Papst Franziskus berief den gebürtigen Rheinland-Pfälzer im Juni 2021 in das höchste Gericht der römischen Kurie, die Signatura Apostolica (Apostolische Signatur).

Müller schrieb der dpa in der Email, dass er die Logik zurückweise, dass »wenn jemand die Finanzelite kritisiert, er automatisch auf der falschen Seite ist«. Er sprach erneut von einer »nicht legitimierten Einflussnahme der superreichen Eliten in verschiedenen Ländern«.

MANIFEST Der Kardinal hatte schon Anfang 2020 ein Manifest eines Erzbischofs gegen die Corona-Beschränkungen unterschrieben, in dem Narrative aus Verschwörungstheorien vorkommen. Die Rede war vom »Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht«.

Müller sagte danach, dass der Text bewusst missverstanden wurde. Für Empörung hatte seine Kritik am Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland gesorgt, deren Entscheidungsfindung der Kardinal mit dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten verglichen hatte. dpa

Libanon

Vom Präsidenten zum Premier?

Nawaf Salam, amtierender Präsident des Internationalen Gerichtshofs, soll neuer libanesischer Ministerpräsident werden

 13.01.2025

Krefeld

Gütliche Einigung über Campendonk-Gemälde

An der Einigung waren den Angaben nach die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), das Land NRW und die Kulturstiftung der Länder beteiligt

 13.01.2025

Berlin

NS-Erinnerungsorte entsetzt über Vorfall an Hochschule

An der Berliner Alice-Salomon-Hochschule kam es zu Aktionen und Parolen gegen Israel. Die Leitungen der NS-Erinnerungsorte sehen darin eine Fortsetzung der antisemitischen Vorgänge an Berliner Hochschulen

von Stefan Meetschen  13.01.2025

Berlin

50-Jähriger zum zweiten Mal antisemitisch attackiert

Das Opfer war bereits im November vom selben Täter angegriffen worden

 13.01.2025

Nach Geiselhaft

Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi in Freiheit

Nach vier Jahren in Haft im Iran ist die Deutsch-Iranerin frei. Außenministerin Baerbock spricht von einem großen Moment der Freude. Wie geht es Taghavi nach der Zeit in einem berüchtigten Gefängnis?

von Veronika Eschbacher, Yuriko Wahl-Immel  13.01.2025

Berlin

Alice Salomon Hochschule: Mitarbeiter fühlen sich von Israelhassern bedroht

Da »hochschulfremde, vermummte Personen« für Angst sorgen, wird der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) eingeschaltet

 13.01.2025

Bundestagswahl

Verfassungsschützer: AfD hat Scheu abgelegt

Wie umgehen mit der AfD? Thüringens Verfassungsschutzpräsident sieht in der Rhetorik beim AfD-Parteitag eine Enthemmung - und fordert weitere Schritte gegen die Partei

 13.01.2025

Ramallah

Fatah: Hamas hat Zerstörung Gazas herbeigeführt

Die Palästinensische Autonomiebehörde fürchtet einen Kontrollverlust im Westjordanland und geht auch deshalb dort gegen die Konkurrenz vor

 13.01.2025

Iran

Nach vier Jahren Geiselhaft: Nahid Taghavi wieder in Deutschland

Das iranische Regime hat die 70-jährige Kölnerin freigelassen - zuvor war die Bundesregierung heftiger Kritik ausgesetzt gewesen

 13.01.2025