Geschichte

Als Deutschland brannte

Rostock-Lichtenhagen 1992: Ein vermummter Jugendlicher wirft einen Stein auf das »Sonnenblumenhaus«. Foto: dpa

Es war gerade Erew Jom Kippur, als am 17. September 1991 eine Gruppe von Neonazis vietnamesische Straßenhändler in Hoyerswerda angriff. Die zu DDR-Zeiten ins Land geholten Vertragsarbeiter flüchteten in ein Wohnheim, das am Tag darauf von einigen Dutzend Neonazis umringt wurde, die ausländerfeindliche Parolen grölten und das Wohnheim mit Steinen und Molotowcocktails bewarfen.

Wenig später wurde ein nahe gelegenes Flüchtlingswohnheim von dem randalierenden Pöbel angegriffen.

Die Polizei konnte – oder wollte – zunächst wenig erreichen, und schließlich brachte man die in Hoyerswerda untergebrachten Ausländer aus dem Ort und verlegte sie in andere Heime. Die Neonazis feierten dies als Triumph. Sie hatten ihre erste »ausländerfreie Stadt« geschaffen.

POGROME Dies war der Auftakt zu einer Reihe zahlreicher Ausschreitungen, die ein Jahr später in den gewalttätigen Krawallen von Rostock-Lichtenhagen gipfelten, als Tausende Menschen den Randalierern Beifall klatschten, die ein von Vietnamesen bewohntes Wohnheim in Brand gesetzt hatten.

Ignatz Bubis war schockiert und erschüttert angesichts der Gewalt.

Die Szenen von Hoyerswerda und Rostock, aber auch die Mordanschläge im Westen Deutschlands, so in Mölln und Solingen, schienen den Geist des rassistischen Deutschlands wieder aus der Flasche zu lassen.

Nun meldete sich aber auch die Zivilgesellschaft immer hörbarer zu Wort. Es entstanden Bürgerinitiativen wie die Lichterketten und die Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen die Gewalt von ganz Rechts richteten.

BUBIS Auch der Zentralrat der Juden nahm frühzeitig eindeutig Stellung und stellte sich an die Seite der Angegriffenen. Als sein gerade neu gewählter Vorsitzender, Ignatz Bubis, inmitten der Ausschreitungen nach Rostock reiste, konnte er seine Bewegung kaum verbergen. Ignatz Bubis war schockiert und erschüttert angesichts der Gewalt.

Vor Ort bekam er von einem Bürgerschaftsabgeordneten die Worte zu hören: »Ihre Heimat ist Israel.« Auch ein lokaler CDU-Politiker merkte an, dass Bubis hier nichts zu suchen habe, seine Heimat sei doch schließlich Israel.

»Ihre Heimat ist Israel«, wurde Bubis in Rostock entgegengeschleudert.

Es waren unter anderem Erfahrungen wie diese gewesen, die Bubis 1999 im letzten Interview kurz vor seinem Tod dazu veranlassten, eine bittere Bilanz seines politischen Wirkens zu ziehen: »Ich habe gedacht, vielleicht schaffst du es, dass die Menschen anders über einander denken, anders miteinander umgehen. Aber, nein, ich habe fast nichts bewegt.« Das von dem Journalisten Rafael Seligmann geführte Gespräch erschien in der Zeitschrift »stern« und löste eine heftige Debatte aus.

VORBILD Wie wichtig das Engagement von Bubis gerade auch für Deutsche mit Migrationshintergrund war, zeigte Anfang dieses Jahres auf eindrucksvolle Weise ein Interview von Welt-Autor Deniz Yücel mit dem Grünen-Minister Cem Özdemir.

In der Öffentlichkeit sprachen damals nur eine Handvoll Stimmen für die Betroffenen der rechtsextremen Gewalt, darunter der Präsident des Zentralrats der Juden Bubis. Özdemir betonte, wie wichtig dieses Engagement von Bubis für ihn persönlich war.

»Wenn ich daran denke«, so Özdemir, »wie Bubis damals abends im Fernsehen auftrat, rührt mich das heute noch. Er hämmerte seine Worte in Richtung Bundesregierung – und er drückte unsere Gefühle aus. Im Prinzip tat er das, was der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hätte tun müssen. Ich fühle mich nicht nur, aber auch wegen Ignatz Bubis verpflichtet, mich bei antisemitischen Vorfällen sehr klar zu äußernja

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