Geschichte

»Alle riskierten ihr Leben«

Schuster erinnerte unter anderen an Emanuel Ringelblum (1900-1944), der im Warschauer Ghetto ein Untergrundarchiv aufgebaut hatte.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat den Widerstand gegen das NS-Regime gewürdigt. Alle Gruppen seien den Nationalsozialisten logistisch und mit Waffen unterlegen gewesen, sagte Schuster am Dienstagabend in Berlin. »Alle riskierten ihr Leben.« Diese Unterlegenheit sei stark in jüdischen Organisationen sichtbar gewesen, denn diese hätten wegen der ihnen von den Nazis auferlegten Restriktionen häufig kaum Geld, geschweige denn eine Schreibmaschine für Flugblätter gehabt.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Es sei erstaunlich gewesen, dass sich Juden in Ghettos und Lagern, etwa in Warschau, Treblinka und Sobibor, trotz Unterernährung und Schwäche gewehrt hätten, betonte Schuster. Er verwies auf das jetzt auf Deutsch erschienene Buch »Sag nie, es gäbe nur den Tod für uns« von Judy Batalion über jüdische Frauen im Widerstand. Darin werde deutlich, dass sich Frauen unauffälliger als Männer bewegen und daher gut als Kuriere tätig sein konnten, um etwa Dynamit und Waffen ins Ghetto zu schmuggeln.

Jüdische Widerstandskämpfer hätten sich dagegen gewehrt, dass ihnen von den Nationalsozialisten das Menschsein abgestritten worden sei, sie hätten daher um den Erhalt der Menschenwürde und letztlich des Lebens selbst gekämpft. Eine Form des Widerstandes sei auch gewesen, Kinder zu verstecken oder Fluchtrouten zu organisieren - immer in der Sorge, dass sie ihre Familien und ihr Umfeld gefährdeten. Ohnehin hätten viele Widerständler ihren Mut mit dem Leben bezahlt.

Ein Erbe des Widerstandes - nicht nur des jüdischen - sei die Erkenntnis, dass der Mensch immer eine Wahl habe. Schuster erinnerte unter anderen an Emanuel Ringelblum (1900-1944), der im Warschauer Ghetto ein Untergrundarchiv aufgebaut hatte. Nur sehr wenige seiner Mitstreiter überlebten die Schoa und halfen später dabei, das Archiv wiederzufinden. »Heute sind das unschätzbar wertvolle Quellen.« Schuster erinnerte daran, dass ein Teil der Forschung erst möglich geworden sei, als auch Material in Osteuropa zugänglich wurde.

Auch die Historikerin Andrea Löw vom Institut für Zeitgeschichte in München sagte, dass der bewaffnete Widerstand etwa im Ghetto bemerkenswert gewesen sei. Neben dem aktiven Kampf habe es weitere Versuche der »Selbstbehauptung« von Juden gegen ihre »psychische Degradierung« gegeben: Kindern eine Perspektive für die Zeit nach dem Ghetto zu geben, Versuche, die medizinische Versorgung zu verbessern oder Lebensmittel von der »arischen« Seite zu besorgen.

Schuster wandte sich scharf gegen eine Instrumentalisierung von Widerstandskämpfern jeglicher Herkunft etwa durch Corona-Leugner, die sich in eine Reihe beispielsweise mit Sophie Scholl und gegen eine angebliche »Corona-Diktatur« stellten: »Das Selbstbild, das diese Menschen haben, ist ebenso degoutant wie lächerlich.« Eine »Vereinnahmung von Widerstandskämpfern und Opfern der Schoa« sei nicht hinnehmbar. Schuster warb für Zivilcourage und Haltung - das sei auch ein Erbe des NS-Widerstands.

Schuster und Löw äußerten sich auf einer Podiumsdiskussion zu »jüdischem Widerstand und dem Verhältnis von deutschem Widerstand zu den Juden in Forschung und Erinnerung«, die von der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Stiftung 20. Juli 1944 veranstaltet wurde.

Lesen Sie mehr dazu in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Vor 80 Jahren

Zentralrat der Juden: Nürnberger Prozesse waren Wendepunkt

Es waren hochrangige NS-Kriegsverbrecher, die vor 80 Jahren in Nürnberg vor Gericht standen. Was diese Prozesse aus Sicht des Zentralrats der Juden bedeuten - auch heute

von Leticia Witte  21.11.2025

Paris

EJC warnt vor wachsender Radikalisierung junger Menschen im Netz

»Hass ist viral gegangen«, sagt Moshe Kantor, der Präsident der Organisation

 21.11.2025

Berlin

Israelisches Schutzsystem soll neue Leopard-2-Flotte sicherer machen

Das »Hard-Kill-Abwehrsystem« Trophy erkennt anfliegende Raketen und macht diese unschädlich

 21.11.2025

Internationales

Europäische Rabbiner nominieren Donald Trump für Friedensnobelpreis

Der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, hat sich Forderungen angeschlossen, den US-Präsidenten für seine Bemühungen im Nahen Osten mit dem Preis zu ehren

 21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025

Weimar

Buchenwald will einzelne Dokumente aus abgesagter Auktion übernehmen

Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, warnt nach der gestoppten Auktion in Neuss vor stillen Verkäufen von KZ-Artefakten. Solche Objekte und Dokumente sollten Gedenkstätten überlassen werden

 21.11.2025

Diplomatie

Bosnien: Diplomatischer Eklat um Nazi-Helm an deutschen UN-Vertreter

Vor 30 Jahren endete der Krieg in Bosnien und Herzegowina. Jetzt flammt die Debatte um die politischen Nachwehen von Neuem auf. Im Fokus eines skandalösen Angriffs steht ein deutscher UN-Politiker

 20.11.2025