Rückblende

1991: Das Pogrom von Hoyerswerda

»Volkszorn« gegen Fremde Foto: dpa

Rückblende

1991: Das Pogrom von Hoyerswerda

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945: Folge 46

von Michael Brenner  23.09.2013 14:53 Uhr

Pogrom ist ein russisches Wort und war lange Zeit synonym mit antijüdischen Ausschreitungen. Ebenso wie »Ghetto« oder »Holocaust« ist der Begriff mittlerweile zum Exportschlager der jüdischen Geschichte geworden. Wir hören heute von Ghettomusik und Ghettoblastern, von Abtreibungsholocaust und Vertreibungsholocaust. Auch der Begriff Pogrom ist seit Langem universalisiert und bezeichnet Opfer von Übergriffen gegen alle möglichen Minderheiten. In diesem Sinne kann man auch bei den Ereignissen, die sich zwei Jahre nach dem Fall der Mauer in der sächsischen Kleinstadt Hoyerswerda ereigneten, von einem Pogrom sprechen.

neonazis Es war gerade Erew Jom Kippur, als am 17. September 1991 eine Gruppe von Neonazis vietnamesische Straßenhändler angriff. Diese noch zu DDR-Zeiten ins Land geholten Vertragsarbeiter flüchteten in ein Wohnheim, das am Tag darauf von einigen Dutzend Neonazis umringt wurde, die ausländerfeindliche Parolen grölten und das Wohnheim mit Steinen und Molotowcocktails bewarfen. Wenig später wurde ein nahe gelegenes Flüchtlingswohnheim von dem randalierenden Pöbel angegriffen.

Die Polizei konnte zunächst wenig erreichen, und schließlich brachte man die in Hoyerswerda untergebrachten Ausländer aus dem Ort und verlegte sie in andere Heime. Die Neonazis feierten dies als Triumph. Sie hatten ihre erste »ausländerfreie Stadt« geschaffen.

Dies war der Auftakt zu einer Reihe zahlreicher Ausschreitungen, die ein Jahr später in den gewalttätigen Krawallen von Rostock-Lichtenhagen gipfelten, als Tausende Menschen den Randalierern Beifall klatschten, die ein von Vietnamesen bewohntes Wohnheim in Brand gesetzt hatten.

lichterketten Die Szenen von Hoyerswerda und Rostock, aber auch die Mordanschläge im Westen Deutschlands, so in Mölln und Solingen, schienen den Geist des rassistischen Deutschlands wieder aus der Flasche zu lassen. Nun meldete sich auch die Zivilgesellschaft immer hörbarer zu Wort. Es entstanden Bürgerinitiativen wie die Lichterketten und die Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen die Gewalt von ganz Rechts richteten.

Auch der Zentralrat der Juden nahm frühzeitig eindeutig Stellung und stellte sich an die Seite der Angegriffenen. Als sein gerade neu gewählter Vorsitzender, Ignatz Bubis, inmitten der Ausschreitungen nach Rostock reiste, bekam er von einem Bürgerschaftsabgeordneten die Worte zu hören: »Ihre Heimat ist Israel.« Trotz der bereits erwähnten zivilgesellschaftlichen Initiativen mussten Bubis und sein Nachfolger Paul Spiegel auch in den folgenden Jahren häufig zur Stelle sein, wenn es wieder einmal galt, gegen rechtsextreme Ausschreitungen Farbe zu bekennen.

Debatte

Verbot durch US-Präsident Trump: Wie gefährlich ist die »Antifa-Ost« wirklich?

In einem ungewöhnlichen Schritt stuft die Trump-Regierung vier linksextreme Organisationen als Terrorgruppen ein - in Europa. Betroffen ist auch eine Gruppierung in Deutschland

von Luzia Geier  14.11.2025

Nahostkonflikt

Indonesien will 20.000 Soldaten für Gaza-Truppe bereitstellen

Der US-Plan für die Stabilisierung des Küstenstreifens sieht eine internationale Eingreiftruppe vor. Einige Staaten haben bereits Interesse bekundet

 14.11.2025

Terror

Mutmaßliches Hamas-Mitglied in U-Haft

Der Mann soll Waffen für Anschläge auf jüdische und israelische Ziele transportiert haben

 14.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Gastbeitrag

Kein Ende in Sicht

Der Antisemitismus ist in den vergangenen zwei Jahren eskaliert. Wer jetzt glaubt, dass es eine Rückkehr zum Status vor dem 7. Oktober 2023 gibt, macht es sich zu leicht. Denn auch vor dem »Schwarzen Schabbat« trat der Antisemitismus zunehmend gewaltvoller und offener zutage

von Katrin Göring-Eckardt, Marlene Schönberger, Omid Nouripour  13.11.2025

Israel

Altkanzlerin Merkel besucht Orte der Massaker

Angela Merkel besuchte den Ort des Nova-Festivals und den Kibbuz Nahal Oz

 13.11.2025

Schleswig-Holstein

Polizei nimmt weiteren Hamas-Terroristen fest

Mahmoud Z. soll ein Sturmgewehr, acht Pistolen und mehr als 600 Schuss Munition für Anschläge gegen jüdische und israelische Einrichtungen organisiert haben

 13.11.2025

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten klettern auf Brandenburger Tor

Oben angelangt entrollten sie ein Banner, auf dem sie Israel Völkermord vorwarfen

 13.11.2025

Diplomatie

Israel drängt Merz auf Ende des Teilwaffenembargos

Der Bundeskanzler hatte am 8. August angeordnet, keine Güter auszuführen, die im Krieg gegen die Hamas verwendet werden könnten

 13.11.2025