Rückblende

1971: Peter Szondi – Tod eines Heimatlosen

Peter Szondi (1929–1971) Foto: dpa

Rückblende

1971: Peter Szondi – Tod eines Heimatlosen

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945: Folge 26

von Michael Brenner  23.04.2013 07:36 Uhr

Das geistige Leben im Nachkriegsdeutschland wäre ohne die wenigen noch übrig gebliebenen Juden deutlich ärmer gewesen. In der DDR sowieso, wo Arnold Zweig, Anna Seghers, Stephan Hermlin und Stefan Heym literarische Akzente setzten und Akademiker wie Jürgen Kuczynski, Victor Klemperer, Hans Mayer, Ernst Bloch und Alfred Kantorowicz das universitäre Leben mitgestalteten. Die letztgenannten drei gingen nach wenigen Jahren in den Westen, wohin auch einige jüdische Akademiker direkt zurückgekehrt waren.

Max Horkheimer hatte zusammen mit Theodor Adorno zumindest einen Teil der Frankfurter Schule vom Hudson an den Main zurückgebracht, an der Freien Universität Berlin entstand im Bereich der Politikwissenschaft ein Zentrum jüdischer Remigranten. Ernst Fraenkel und Richard Löwenthal trugen dort dazu bei, die Politikwissenschaft in Deutschland nach dem Krieg aufzubauen. Und Jakob Taubes war an der FU zunächst Gründungsdirektor des Instituts für Judaistik, dann Professor für Philosophie.

suizid Ein jüdischer Wissenschaftler baute in Berlin auch 1965 das Seminar für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft auf: Peter Szondi. Der 1929 in Budapest Geborene hatte mit seiner Familie das Konzentrationslager Bergen-Belsen überlebt. Szondi war Gastprofessor in Princeton und Jerusalem und holte zahlreiche internationale Wissenschaftler nach Berlin.

Doch er blieb zeitlebens ein Heimatloser, der von sich selbst einmal sagte, er hätte es verlernt, irgendwo zu Hause zu sein. An Gershom Scholem, der ihn nach Jerusalem holen wollte, schrieb er: »Dass sich das ändern könnte und sollte, weiß ich, aber dieses Wissen ist nicht stark genug, um den Widerstand in mir jetzt – und das heißt: solange ich es in Deutschland aushalte – zu brechen.« Szondi hielt es nicht lange aus: Im Alter von 42 Jahren ertränkte er sich 1971 im Halensee.

Mit diesem tragischen Ende war er unter den prominenten deutschsprachigen jüdischen Überlebenden nicht alleine. Paul Celan stürzte sich 1970 in die Seine, Jean Améry starb 1978 an einer Überdosis Schlaftabletten. Sie hatten zwar überlebt, konnten aber nicht weiterleben. Auch waren sie enttäuscht über die mangelnde Sensibilität der deutschen Gesellschaft. Am deutlichsten brachte dies der Historiker Joseph Wulf zum Ausdruck, bevor er am 10. Oktober 1974 aus dem Fenster seiner Berliner Wohnung sprang: »Ich habe hier 18 Bücher über das Dritte Reich veröffentlicht, und das alles hatte keine Wirkung. Du kannst dich bei den Deutschen totdokumentieren, es kann in Bonn die demokratischste Regierung sein – und die Massenmörder gehen frei herum, haben ihr Häuschen und züchten Blumen.«

Australien

Polizei: Angreifer in Sydney waren Vater und Sohn 

Weitere Details des judenfeindlichen Terroranschlags werden bekannt

von Denise Sternberg  14.12.2025

Hintergrund

Der Held von Sydney

Laut australischen Medien handelt es sich um einen 43-jährigen muslimischen Vater von zwei Kindern, der einen Laden für lokale Produkte betreibt

 14.12.2025

Jerusalem

Israels Regierungschef wirft Australien Tatenlosigkeit gegen Judenhass vor

Nach einem Anschlag in Sydney fordert Netanjahu von Australien entschlosseneres Handeln gegen Judenhass. Er macht der Regierung einen schweren Vorwurf

 14.12.2025

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert

Anschlag in Sydney

Felix Klein: »Von Terror und Hass nicht einschüchtern lassen«

Zwei Männer töten und verletzen in Sydney zahlreiche Teilnehmer einer Chanukka-Feier. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung äußert sich zu der Tat

 14.12.2025

Terror in Sydney

Zivilist entwaffnet Angreifer und wird als »Held« gefeiert

Zwei Männer schießen auf Teilnehmer einer Chanukka-Feier in Sydney: Es gibt Tote und Verletzte. Ein Video soll nun den mutigen Einsatz eines Passanten zeigen

 14.12.2025

Australien

Merz: »Angriff auf unsere gemeinsamen Werte«

Bei einem Anschlag auf eine Chanukka-Feier in der australischen Metropole gab es viele Tote und Verletzte. Der Bundeskanzler und die Minister Wadephul und Prien äußern sich zu der Tat

 14.12.2025 Aktualisiert

Terror in Sydney

Zentralrat der Juden: »In Gedanken bei den Betroffenen«

Der Zentralrat der Juden und weitere jüdische Organisationen aus Deutschland äußern sich zu dem Anschlag auf eine Chanukka-Feier im australischen Sydney

 14.12.2025 Aktualisiert