Rückblende

1970: Der Zentralrat entdeckt die Jugend

Ikone der 68er: Daniel Cohn-Bendit Foto: dpa

Die Studentenrevolte der späten 60er-Jahre ging auch an der jüdischen Jugend nicht spurlos vorbei. Die erste im Nachkriegsdeutschland aufgewachsene Generation begann ihr Studium in einer Zeit des Umbruchs. Die Aufbaujahre der Adenauer-Ära, in denen die Vergangenheit verdrängt wurde, wichen nun einer Phase, in der kritische Fragen an die Eltern gestellt wurden.

In der Mehrheitsgesellschaft wurde den Eltern ihre Verstrickung in der Zeit des Nationalsozialismus vorgeworfen. Die jüdischen Überlebenden mussten sich von ihren Kindern fragen lassen: Warum seid ihr im Land der Täter geblieben?

reformbedarf Jüdische Studenten gingen für die gleichen Ziele auf die Straße wie ihre nichtjüdischen Kommilitonen. Sie forderten Hochschulreformen, gesellschaftliche Gerechtigkeit und das Ende des Vietnamkrieges. Immerhin war die Symbolfigur der in Paris beginnenden Studentenunruhen ein Kind deutsch-jüdischer Emigranten.

Dass Daniel Cohn-Bendit von der französischen Regierung ausgerechnet nach Deutschland ausgewiesen wurde und dass seine Anhänger sich als Zeichen der Solidarität den gelben Judenstern ansteckten, schien auch den jungen deutschen Juden klarzumachen, in welchem politischen Lager ihre geistige Heimat war. Doch selbst israelkritischen jüdischen Studenten ging die antizionistische Rhetorik und Aktion ihrer nichtjüdischen Kommilitonen zu weit. Zunehmend entfremdet von der deutschen Linken suchten sie ihren eigenen Weg in der israelischen Gesellschaft oder in den jüdischen Gemeinden.

Der im März 1968 gegründete Bundesverband Jüdischer Studenten zeigte sich sowohl solidarisch mit den Studentenprotesten als auch mit dem Staat Israel. In Frankfurt, dem intellektuellen und wirtschaftlichen Zentrum der deutsch-jüdischen Gemeinschaft, engagierten sich kritische Stimmen der jüngeren Generation nun als Teil einer eigenen Gemeindefraktion und versuchten, Reformen von innen zu erwirken.

forum Der Zentralrat musste plötzlich feststellen, dass man jahrzehntelang versucht hatte, den Überlebenden eine provisorische Bleibe zu geben, aber nicht systematisch für die Zukunft ihrer Kinder plante. »Jugendfragen« standen nun immer häufiger auf der Tagesordnung. 1970 wurde eine »Initiativgruppe für Jugendfragen« gegründet.

Aus ihren Diskussionen gingen sieben Jahre später die Jugend- und Kulturtage hervor, die ein Jahrzehnt lang ein vom Zentralrat getragenes offenes Forum für den kritischen Dialog boten. Hier wurde über Israel ebenso gestritten wie über »Mischehen« und Fragen der religiösen Vielfalt. Die 70er-Jahre öffneten damit in den jüdischen Gemeinden Deutschlands den Weg in die Zukunft.

Sydney

Jüdische Organisationen prangern »Geißel« Antisemitismus an

Im Fokus steht dieses Mal Australien. Es ist Gastgeber einer Konferenz der internationalen jüdischen Initiative »J7«. Sie stellt Zahlen zu Judenhass auf dem Kontinent vor - und spricht von historischen Höchstständen

von Leticia Witte  02.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  02.12.2025 Aktualisiert

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  02.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 02.12.2025 Aktualisiert

Interview

»Die Altersarmut bleibt«

Aron Schuster über das Ende des Härtefallfonds, Einmalzahlungen und Gerechtigkeit für jüdische Rentner

von Mascha Malburg  02.12.2025

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Berlin

Zentrum für Politische Schönheit errichtet »Walter Lübcke Memorial« vor CDU-Zentrale

Am Freitag soll außerdem eine Gedenkveranstaltung mit Michel Friedman durchgeführt werden

 02.12.2025

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Berlin

Steinmeier erinnert an Stiftungsgründung für NS-Zwangsarbeiter

Im Jahr 2000 gründeten die deutsche Wirtschaft und der Bund nach langem Vorlauf die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Millionen NS-Opfer erhielten zumindest einen symbolischen Betrag

 02.12.2025