Eren Güvercin

Wo sind die Gelehrten, die der Fatwa gegen Israel widersprechen?

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Eren Güvercin

Wo sind die Gelehrten, die der Fatwa gegen Israel widersprechen?

Ein ranghoher Geistlicher erklärt den Kampf gegen Israel zur Pflicht eines jeden Muslims. Kritik an diesem offenen Terroraufruf sucht man bei deutschen Islamverbänden vergeblich

von Eren Güvercin  16.04.2025 10:29 Uhr

Ali al-Qaradaghi, der Vorsitzende der Internationalen Union Muslimischer Gelehrter (IUMS), hat in einer Fatwa, einem islamischen Rechtsgutachten, zum Kampf gegen Israel aufgerufen. Muslimische Staaten hätten die Pflicht, »sich am Dschihad gegen die zionistische Entität« zu beteiligen. Das sei auch »eine individuelle Verpflichtung (fard ‹ayn) für jeden fähigen Muslim« – ein ganz offener, religiös legitimierter Terroraufruf an alle Muslime.

Al-Qaradaghi ist nicht nur eine führende Figur der Muslimbruderschaft, sondern wird weit über diese Kreise hinaus als wichtige theologische Autorität wahrgenommen. Erst am vergangenen Wochenende war er prominenter Gast einer internationalen Konferenz der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara. Gemeinsam mit Ali Erbas, dem Chef der Diyanet und gleichzeitig auch religiöse Autorität der DITIB in Deutschland, rief al-Qaradaghi Muslime weltweit zur Einheit auf, um gemeinsam Gaza und Jerusalem zu befreien.

Seit dem Terror der Hamas vom 7. Oktober 2023 erleben wir eine Enthemmung in islamistischen Milieus in Europa. Dass jetzt ein führender Theologe ganz offen zu Gewalt aufruft und dies auch noch religiös legitimiert, wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Dass unsere Medien darüber kaum berichten und unsere Politik sich dazu nicht äußert, ist alarmierend.

Nach einem Anschlag den islamistischen Terror »aufs Schärfste zu verurteilen«, ist keine besondere Leistung.

Wo sind eigentlich die ganzen mutigen Stimmen »gegen Hass und Hetze«, wenn es um islamistische Hetze und Aufrufe zum Terror geht? Während die Jusos in Berlin die Verwendung des Begriffs »Islamismus« medienwirksam kritisieren, hört man von ihnen nicht sehr viel, wenn es um die Bedrohungen aus dem islamistischen Spektrum geht.

Nach einem Anschlag den islamistischen Terror »aufs Schärfste zu verurteilen«, ist keine besondere Leistung. Entscheidend ist, vor Terrortaten Islamismus und seine Strukturen beim Namen zu nennen und diese Gefahr nicht zu relativieren. Von den muslimischen Verbänden braucht man schon gar nichts mehr zu erwarten: DITIB, IGMG und der sogenannte Zentralrat der Muslime bezeichnen sich zwar gerne als Religionsgemeinschaft, aber zu einem Terroraufruf eines muslimischen Gelehrten, der auch Muslime in Europa adressiert, werden sie kein einziges Wort verlieren.

Wo sind denn die Gelehrten dieser Verbände, die al-Qaradaghi widersprechen? Wenn DITIB und Co. zu religiös legitimierten Terroraufrufen nichts zu sagen haben, dann sollten sie aber bitte schön auch konsequent sein – und nach einem Anschlag auf eine jüdische Einrichtung keine Anteilnahme heucheln.

Der Autor ist Gründer der »Alhambra-Gesellschaft – Muslime für ein plurales Europa«.

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