Lala Süsskind

Wir müssen Tacheles reden

Lala Süsskind Foto: Gregor Zielke

Die jiddische Sprache ist heute weitgehend verschwunden. Der Nationalsozialismus hat sie fast ausgerottet. Aber Jiddisch hat der Welt ein Wort geschenkt, das ich sehr schätze: Tacheles. Wir müssen Tacheles reden, wenn unsere Demokratie angegriffen wird. Und sie wird angegriffen, wenn die allgemeinen und unteilbaren Menschenrechte infrage gestellt werden.

»Unteilbar«, so lautete das Motto der großen Demonstration, an der am Samstag in Berlin 240.000 Menschen teilnahmen. Die Demonstration war nötig, denn wenn Rechtsextreme hetzen, müssen wir uns vor bedrohte Menschen stellen. Zu der Vielfalt, die wir verteidigen müssen, gehört auch jüdisches Leben in Deutschland. Das bedeutet, dass ich als Bürgerin wie alle anderen auch in diesem Land leben kann.

rechtsextreme Deutschland ist vielfältiger geworden. Das gilt auch für den Antisemitismus. Es sind heute nicht nur Rechtsextreme, die uns angreifen. Bei der »Unteilbar«-Demonstration waren auch Anhänger der anti-israelischen BDS-Kampagne. Von einem Wagen wurden sogar Hassreden gehalten! Wenn das Motto der Demonstration, »unteilbar«, ernst zu nehmen ist, dann dürfen wir diese Angriffe auf die größte jüdische Gemeinschaft der Welt nicht dulden.

Auch dies ist zu sagen: Immer häufiger werden Juden auch von Menschen beleidigt und angegriffen, die selbst von Rechtsextremen bedroht werden. Ich meine den Antisemitismus von Muslimen, die von Hasspredigern angestachelt werden. Wir wissen, dass die Mehrheit der Muslime mit dieser Gewalt nichts zu tun hat.

Und gerade deswegen müssen wir Tacheles gegen muslimischen Antisemitismus reden. Denn ich möchte in einer Demokratie leben, in der wir der Vielfalt und der Komplexität von Menschenfeindlichkeit ins Auge sehen. Ich möchte in einer Demokratie leben, in der wir auf Augenhöhe Tacheles miteinander reden. Ich möchte hier leben und hier streiten. Als Jüdin, als Bürgerin und als Mensch.

Die Autorin ist Vorsitzende des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus in Berlin.

Kommentar

Mit aller gebotenen Härte

Ein AfD-Verbotsverfahren ist nach der Verfassungsschutz-Einschätzung der Partei als rechtsextremistisch dringlicher denn je

von Philipp Peyman Engel  07.05.2025

Meinung

Null Toleranz für Gewaltaufrufe

Ein Großereignis wie der Eurovision Song Contest darf keine Sicherheitslöcher zulassen, findet unsere Schweiz-Redakteurin Nicole Dreyfus

von Nicole Dreyfus  07.05.2025

Kommentar

Nur zweite Wahl?

Man muss den neuen Kanzler nicht mögen. Aber eine Chance geben sollte man ihm schon. Mit Heckenschützenmentalität und verantwortungsloser Lust am Zündeln haben einige Parlamentarier mutwillig den guten Ruf unseres Landes aufs Spiel gesetzt

von Michael Thaidigsmann  06.05.2025

Essay

Bitburg 1985: Plötzlich waren wieder die Juden schuld

Maram Stern über eine Zeit, als in Deutschland schon einmal versucht wurde, einen Schlussstrich zu ziehen

von Maram Stern  06.05.2025

Kommentar

Springt über euren Schatten!

Friedrich Merz ist schwer angezählt. Trotzdem sollten sich im zweiten Wahlgang alle Abgeordneten einen Ruck geben und ihn zum Kanzler wählen. Es geht um die Demokratie

von Michael Thaidigsmann  06.05.2025

Meinung

Völlig untragbar!

Die übermäßige Bevorzugung der Charedim ist eine Gefahr für Wohlstand und Wohlbefinden im jüdischen Staat

von Sabine Brandes  06.05.2025

Standpunkt

Schwestern im Geiste

Tel Aviv und Berlin sind nun endlich Partnerstädte. Das war längst überfällig

von Katharina Höftmann Ciobotaru  05.05.2025

Meinung

Noch Zweifel?

Auch vor der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem war ihre antidemokratische Haltung offenkundig. Jetzt muss das Verbotsverfahren gegen die Partei endlich in die Wege geleitet werden

von Monty Ott  02.05.2025

Meinung

Israelfeinde gegen Pressefreiheit

Journalisten sind immer häufiger Anfeindungen von »propalästinensischen« Aktivisten ausgesetzt. Das ist auch ein Angriff auf das Fundament unserer Gesellschaft

von Erica Zingher  02.05.2025