Frederik Schindler

Wie die Rosa-Luxemburg-Stiftung einem Terroristensprecher huldigt

»Welt«-Redakteur Frederik Schindler Foto: HC Plambeck für WELT

Frederik Schindler

Wie die Rosa-Luxemburg-Stiftung einem Terroristensprecher huldigt

Das Büro der Linkspartei-nahen Stiftung in Ramallah würdigt den palästinensischen Schriftsteller Ghassan Kanafani. Eine kritische Einordnung seiner Rolle in der Terrororganisation PFLP fehlt völlig

von Frederik Schindler  27.07.2023 19:15 Uhr

Leon Kanner und Eddie Joffe waren Kommilitonen, Freunde, Mitbewohner. Sie studierten Botanik an der Hebräischen Universität Jerusalem, lebten im selben Zimmer. Es war der 21. Februar 1969, als sie zusammen in den Supermarkt gingen, um Lebensmittel für eine botanische Erkundungstour durch Israels Hauptstadt zu kaufen. Es sollte ihr letzter Einkauf gewesen sein.

Eine Bombe der palästinensischen Terrororganisation »Volksfront für die Befreiung Palästinas« (PFLP) explodierte und tötete die beiden jungen Männer im Alter von 21 und 22 Jahren. Es war die Hochphase der PFLP, die zu der Zeit zahlreiche weitere Bombenanschläge beging und Flugzeuge entführte. Die marxistisch-leninistische sowie arabisch-nationalistische Organisation ist noch immer aktiv, auch terroristisch.  

Todestag Zwischen der Gründung im Jahr 1967 und bis zu dessen Tötung durch den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad im Jahr 1972 hatte die PFLP mit Ghassan Kanafani einen bedeutenden Schriftsteller als Sprecher. Dessen 51. Todestag nahm das in Ramallah ansässige Palästina-Jordanien-Büro der Linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung kürzlich zum Anlass mehrerer Huldigungen in den sozialen Medien.

Seine »kraftvollen belletristischen Werke« hätten die gesamte arabische Welt geprägt, die Stiftung erinnere an sein »bleibendes Vermächtnis« und »außergewöhnliches Wirken«.  

Die Stiftung sollte den Vorfall zum Anlass nehmen, den in den eigenen Reihen verbreiteten Hass auf Israel aufzuarbeiten.

Von einer kritischen Einordnung seiner Mitgründung und Sprechertätigkeit für eine terroristisch aktive Organisation las man beim Ramallah-Büro der Luxemburg-Stiftung nichts.

Von der Zeitung »Die Welt« darauf angesprochen, rechtfertigte sich die Stiftung, dass es in der Natur von Social-Media-Postings liege, dass es »bei der Erinnerung an einen international anerkannten Schriftsteller zu einer Fokussierung auf einzelne Aspekte und damit zu einer Verkürzung komplexer Kontexte« komme. Einen Fehler will die Stiftung darin nicht erkennen. 

Kampf Noch einmal: Es geht hier um eine Organisation, die auch in Deutschland zum bewaffneten Kampf gegen Israel aufruft. Die hierzulande versucht, Spenden zur Unterstützung ihrer Strukturen im Nahen Osten zu sammeln. Und die bis heute israelische Zivilisten ermordet, zuletzt im Jahr 2019 die 17-jährige Rina Shnerb in einer israelischen Siedlung im Westjordanland.

Ghassan Kanafani war an den Mordanschlägen und Flugzeugentführungen der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre zwar nicht direkt beteiligt. Als Sprecher war es allerdings seine Aufgabe, diese Terrorakte als legitime Form des »Widerstands« zu verteidigen. Vor dem Hintergrund, dass das palästinensische Büro der Stiftung von einem Mitglied des Palästinakomitees Stuttgart geleitet wird und dieses wiederum für den Boykott des einzigen jüdischen Staates trommelt, ist die unkritische Erinnerung an einen palästinensischen Terroristensprecher leider wenig verwunderlich.

Und nun? Die Stiftung sollte den Vorfall zum Anlass nehmen, den in den eigenen Reihen verbreiteten Hass auf Israel aufzuarbeiten. Das ist auch im Interesse derjenigen Mitarbeiter, die sich dort glaubwürdig gegen jede Form des Antisemitismus einsetzen, auch gegen die israelbezogenen und linken Spielarten.

Der Autor ist Redakteur bei »Welt« und »Welt am Sonntag«.

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Meinung

Wieder ein Milliarden-Blankoscheck für Palästina?

Europa will den Wiederaufbau Gazas mit 1,6 Milliarden Euro fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, durch Scheckbuchdiplomatie etwas zum Besseren verändern zu können?

von Jacques Abramowicz  10.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  07.11.2025 Aktualisiert

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  06.11.2025

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  02.11.2025

Kommentar

Politisches Versagen: Der Israelhasser Benjamin Idriz soll den Thomas-Dehler-Preis erhalten

Wer, wie der Imam, den 7. Oktober für seine Diffamierung des jüdischen Staates und der jüdischen Gemeinschaft instrumentalisiert, ist eines Preises unwürdig

von Saba Farzan  28.10.2025

Meinung

Antisemitismus der Anständigen

Judenhass in der Schweiz ist brandgefährlich, weil er so höflich und diskret daherkommt

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.10.2025

Meinung

Die SP im moralischen Blindflug

Mit zwei widersprüchlichen Resolutionen beweist die Sozialdemokratische Partei der Schweiz einmal mehr ihre ethische Orientierungslosigkeit

von Nicole Dreyfus  27.10.2025