Ich gehöre zu den Menschen, die sich nicht um kleine Zahlen scheren. Ich habe keine Ahnung, wieviel der Liter Milch oder die Butter im Supermarkt genau kosten. Nicht, weil ich mir alles leisten könnte, sondern weil ich diese Dinge sowieso kaufen würde. Ob der Preis gestiegen ist oder nicht. Kaffee ohne Milch, Frühstückstoast ohne Butter? Ich spare lieber woanders.
Viele Israelis aber müssen jeden Schekel umdrehen und auch bei den Grundnahrungsmitteln auf den Preis schauen. 21 Prozent der Menschen im Land leben unterhalb der Armutsgrenze. Dabei sind Israelis hart arbeitende Menschen, die anderen nicht auf der Tasche liegen. Für eine Gruppe in der Bevölkerung allerdings gilt dieser Satz nicht. Der Großteil der Charedim lässt sich komplett von anderen aushalten.
Der ärmste Ort in Israel ist Modiin Ilit, wo knapp die Hälfte der Menschen als arm gelten, gefolgt von Jerusalem, Beit Schemesch und Bnei Brak. Allesamt ultraorthodoxe Hochburgen. Die Menschen dort sind nicht sozial schwach, weil sie am Rand der Gesellschaft geboren wurden. Es ist ihre Weltsicht. Eine, die alle anderen Israelis teuer zu stehen kommt.
Milliardenbeträge werden in Richtung der Charedim umgeleitet.
Das wurde spätestens beim Verabschieden des Haushalts durch die rechts-religiöse Regierung vor einigen Wochen klar. Immer höhere Milliardenbeträge werden in Richtung Charedim umgeleitet. Und das sind nur die offensichtlichen Gelder, etwa für Jeschiwa-Stipendien an junge Männer, die den Armeedienst verweigern. Viel mehr noch fließt durch undurchsichtige Kanäle an die ultraorthodoxen Parteien.
Das kaum zu durchschauende Netz führt laut dem rechtsgerichteten Think Tank »Kohelet Policy Forum« dazu, dass eine Charedi-Familie, deren Vater nicht berufstätig ist, viermal so viel Unterstützung vom Staat erhält wie eine jüdische nicht-Charedi-Familie.
Dieses System der Ungleichbehandlung gibt es schon lange. Doch der Krieg und die Frage der gerechten Lastenverteilung, insbesondere die Weigerung der Ultraorthodoxen, in der Armee zu dienen, hat es verschärft in den Fokus gerückt.
Eine Entwicklung durch Regierungspolitik
Bei Staatsgründung erhielten die besten Jeschiwa-Studenten eine Befreiung vom Wehrdienst, um das ultraorthodoxe Leben zu erhalten. 400 an der Zahl. 1977 wurde diese Ausnahme unter der Likud-Regierung auf alle ultraorthodoxen Männer ausgeweitet. Bislang haben sich fast alle Regierungen in Jerusalem dem gebeugt.
Es ist eine Entwicklung, die durch Regierungspolitik hervorgerufen wurde – und genauso durch die Politik wieder aufgehoben werden könnte. Damit muss es also nicht sein, dass eine bestimmte Bevölkerungsgruppe bevorzugt, überdurchschnittlich subventioniert und gleichzeitig von fast allen Bürden des täglichen Lebens befreit wird.
Bei einer kleinen Zahl wurde ich vor einigen Tagen doch aufmerksam: 3,3. Um so viel Prozent sollen Lehrergehälter gekürzt werden. Die verdienen hierzulande ohnehin nicht viel, außerdem herrscht ein eklatanter Mangel an Lehrern. Ich ärgerte mich, schließlich werden auch meine Kinder von schlecht bezahlten und dennoch höchst engagierten Pädagoginnen und Pädagogen unterrichtet. Dann las ich, dass die Gehälter an ultraorthodoxen Schulen nicht gekürzt werden und wurde richtig wütend.
So geht es mittlerweile vielen Israelis. Die charedischen Parteien in der Regierung verbergen nicht einmal mehr, dass sie eine regelrechte Erpressungspolitik betreiben. Fließen nicht ausreichend Milliarden, drohen sie damit, die Koalition zu sprengen, sollen auch ihre Söhne in die Armee, ist das Geschrei noch lauter.
System der charedischen Gesellschaft bald nicht mehr zu bezahlen
Bei den Verhandlungen zum Haushalt warnten einige Beamte des Finanzministeriums, dass das System, auf dem die ultraorthodoxe Gesellschaft aufgebaut ist, für den Staat untragbar geworden sei. Die Kombination aus hohen Geburtenraten, massenhafter Nichterwerbstätigkeit und enormen Ausgaben für Sozialleistungen ist bald einfach nicht mehr zu bezahlen.
Welche moderne, erfolgreiche Gesellschaft will ihre Ressourcen schon von produktiven Bereichen abziehen lassen, um sie in eine wirtschaftlich unproduktive und isolationistische Gruppe zu pumpen? Genau, keine einzige! Auch der Großteil der israelischen Gesellschaft will das nicht. Doch es ist nicht mehr nur unfair und ärgerlich – mittlerweile ist es eine echte Bedrohung für Wohlbefinden und Wohlstand im jüdischen Staat.