Martin Krauß

Unangenehme Lust am Relativieren

Martin Krauß Foto: Chris Hartung

Martin Krauß

Unangenehme Lust am Relativieren

Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, in der es sozial unmöglich ist, an solche Sprüche überhaupt zu denken

von Martin Krauß  07.10.2021 11:23 Uhr

Am Anfang stand Hoffnung auf guten Sport. Der 1. FC Union Berlin, der nicht gerade zu den ganz großen Adressen des europäischen Fußballs gehört, empfing Maccabi Haifa, Meister einer international nicht sehr erfolgreichen Liga. Was dann passierte, machte für viele Fans die Hoffnung auf einen schönen Abend schnell zunichte. »Scheißjuden« und »Sieg Heil« wurde von Union-Fans gerufen; einer soll versucht haben, die Israelfahne einer Zuschauerin anzuzünden.

Der FC Union hat schnell reagiert, der Staatsschutz ermittelt, Fans waren eingeschritten, auch Zivilpolizisten waren sofort zur Stelle, es meldeten sich Zuschauer, die als Zeugen bereitstehen wollen, und Union hat zahlreiches Bildmaterial der Polizei übergeben. Dieser konkrete Fall könnte also vermutlich aufgeklärt werden. Das unterscheidet ihn positiv von ähnlichen Eklats, die in dieser Stadt und diesem Land täglich geschehen.

Dass dieser konkrete Fall vermutlich aufgeklärt werden kann, unterscheidet ihn positiv von ähnlichen Eklats, die in dieser Stadt und diesem Land täglich geschehen.

Doch an der unangenehmen Lust am Relativieren mangelt es auch hier nicht. Das fängt mit ganz dummen Behauptungen in Fanforen an, das seien bestimmt keine Unioner gewesen. Unfug! So wie Antisemitismus kein politisches Rechts-Links-Phänomen ist, so ist es auch keines, das vor bestimmten Fußballklubs Halt macht! Das geht weiter mit der unsinnigen Behauptung, so etwas gehöre nicht zum Sport. Unfug zum Zweiten!

REAKTION »Vor Antisemitismus«, schrieb Hannah Arendt, »ist man nur noch auf dem Monde sicher.« Und gewiss nicht im Berliner Olympiastadion, erbaut für die Nazispiele 1936 und bis heute mit den Skulpturen von Leuten geschmückt, die Hitler persönlich für »gottbegnadete Künstler« hielt.

Die sympathisch schnelle und konsequente Reaktion des 1. FC Union und einiger seiner Fans auf die antisemitischen Vorfälle ist das eine. Das andere, woran es noch sehr mangelt, ist dies: Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, in der es sozial unmöglich, ja, richtiggehend peinlich ist, an solche Sprüchen überhaupt zu denken. Davon ist der Fußball leider noch weit entfernt, und das eint ihn mit der ihn umgebenden Gesellschaft.

Der Autor ist freier Journalist in Berlin.

Meinung

Lasst uns nicht alleine!

Nach dem Canceln von Lahav Shani durch das Flandern-Festival in Genf befürchtet Maria Ossowski, dass Juden Europa jetzt verlassen wollen

von Maria Ossowski  11.09.2025

Meinung

Gent: Boykottiert die Boykotteure!

Dass die Münchner Philharmoniker in Gent nicht auftreten dürfen, weil sie mit Lahav Shani einen israelischen Dirigenten haben, ist eine Schande - und erfordert eine deutliche Antwort deutscher Kulturschaffender

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Meinung

Wenn Wutausbrüche Diplomatie ersetzen

So verständlich der Frust ist, tut sich Israels Regierung mit ihrer aggressiven Kritik an westlichen Regierungen und ihren Einreiseverboten für europäische Politiker keinen Gefallen

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Meinung

Bitte mehr Sorgfalt, liebe Kollegen!

Weltweit haben Medien die Geschichte verbreitet: In Gaza sei ein hilfesuchendes Kind von Israelis erschossen worden. Es stimmt nur nicht, wie sich nun herausstellt. Von professionellen Journalisten darf man eigentlich mehr erwarten

von Susanne Stephan  08.09.2025

Essay

Das Gerücht über Israel

Die Geschichte des Antisemitismus ist eine Geschichte der Lüge. Was früher dem Juden als Individuum unterstellt wurde, wird nun Israel als Nation vorgeworfen

von Daniel Neumann  06.09.2025 Aktualisiert

Meinung

Einseitig, fehlerhaft, selbstgerecht

Die »International Association of Genocide Scholars« bezichtigt Israel des Völkermords. Die Hamas spricht sie von jeder Verantwortung für die Lage in Gaza frei. Eine Erwiderung

von Menachem Z. Rosensaft  05.09.2025

Meinung

Vuelta-Radrennen: Israelhasser ohne Sportsgeist

Bei der spanischen Radtour ist der israelische Rennstall Ziel von Störaktionen. Nun forderte der Rennleiter das Team auf, nicht mehr anzutreten. Wenigen Fanatiker gelingt es, Israel vom Sport auszuschließen - wie so oft in der Geschichte

von Martin Krauss  04.09.2025

Kommentar

Gaza: Das falsche Spiel der Vereinten Nationen

Die UN ist kein neutraler Akteur im Gazakrieg. Ihre Vertreter scheuen sich nicht, irreführende Zahlen in Umlauf zu bringen und die Hamas als legitime politische Kraft zu präsentieren

von Jacques Abramowicz  03.09.2025

Meinung

Marlene Engelhorn, die Gaza-Flottille und deutsche Schuldabwehr

Die Familie der BASF-Erbin hat an der Ermordung von Juden mitverdient. Nun diffamiert sie den jüdischen Staat, um sich selbst im Gespräch zu halten

von Antonia Sternberger  03.09.2025