Laura Cazés

Umgang mit Missbrauch: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel

Laura Cazés Foto: Robert Poticha

Laura Cazés

Umgang mit Missbrauch: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel

Das klare Urteil des Beit Din im Fall eines Berliner Rabbiners, dem schwerer Missbrauch vorgeworfen wird, kann nur der Anfang sein

von Laura Cazés  27.07.2023 14:16 Uhr

Vergangene Woche bezog das Beit Din der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (ORD) öffentlich Stellung zu den Vorwürfen gegen einen Berliner Rabbiner, der jahrelang seine Rolle als religiöse Autorität und Bezugsperson missbraucht haben soll. Der Fall ist nicht zu Ende: Unterlassungsaufforderungen und Einschüchterungen setzen die Gewalt gegen die Betroffenen und ihre Unterstützer fort.

Die Entscheidung des Beit Din ist eindeutig und die klare Position wichtig. Denn es gibt keinen Raum, in dem Übergriffe und sexualisierte Gewalt nicht potenziell stattfinden können. Sie werden dort ausgeübt, wo es Abhängigkeiten und Machthierarchien gibt.

schutzraum Jüdische Gemeinden sind besonders für vulnerable Gruppen in unserer Gemeinschaft ein wichtiger Schutzraum. Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt wird in Gemeinden jedoch bis heute als moralisch verwerfliche Randerscheinung, als tragischer Einzelfall verhandelt. Beschuldigte werden im Stillen aus dem Verkehr gezogen und verwarnt.

Eine Kultur, in der Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt gedeihen können, beginnt mit Sprache, nicht erst beim körperlichen Übergriff.

Den Opfern nützt dieses Vorgehen nicht. Umfassende Prävention kann nicht nur bedeuten, potenzielle Opfergruppen über Gefahren aufzuklären, sondern muss diejenigen in die Pflicht nehmen, die Verantwortung tragen und Machtpositionen innehaben. Strukturen, die Betroffene von psychischer und physischer Gewalt unterstützen, müssen erst noch geschaffen werden. Die Zentralwohlfahrtsstelle arbeitet an Schutzkonzepten und wird Gemeinden dabei begleiten, eigene zu etablieren.

mut Jedoch muss auch ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel stattfinden. Aussagen wie »Bei uns gibt es das nicht«, »Das kann ich mir bei dieser Person nicht vorstellen«, aber auch Kommentare von Funktionären über die »hübschen jungen Damen« müssen abgelegt werden. Eine Kultur, in der Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt gedeihen können, beginnt mit Sprache, nicht erst beim körperlichen Übergriff.

Vor allem aber sollten wir Betroffenen immer und von Anfang an glauben. Wir sind es den mutigen Frauen, die diesen Fall öffentlich gemacht haben, schuldig.

Die Autorin ist die Leiterin der Abteilung Kommunikation und Digitalisierung bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).

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