Wie kaum eine jüdische Institution steht die Europäische Rabbinerkonferenz (CER) für den Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften. Eigentlich wollten wir diese Woche in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo eine Vorstandssitzung abhalten, die genau diesen Geist widerspiegeln sollte.
Doch in letzter Minute wurde uns buchstäblich die Tür vor der Nase zugeschlagen. Das Tagungshotel stornierte die Buchung. In einem öffentlichen Aufruf hatte der bosnische Minister für Arbeit und Soziales, Adnan Delic, zuvor nicht nur die Absage unserer Tagung, sondern die Ausladung europäischer Rabbiner gefordert. Delic machte den skandalösen Vorwurf, durch unsere Anwesenheit würde die Stadt »moralisch gedemütigt«. Und er beschuldigte Israel, ein »völkermörderisches Gebilde« zu sein. Es war eine Sprache, wie man sie aus den Reden der Hamas oder des iranischen Regimes kennt.
Die Absage unseres Treffens durch das Hotel geschah offenbar auf politischen Druck hin.
Wenn europäische Rabbiner, die keinen diplomatischen Auftrag haben, sondern für jüdisches Gemeindeleben und Zusammenhalt stehen, zur Zielscheibe eines Regierungsboykotts werden, ist das nicht mehr legitime Kritik an Israel. Es ist Hasspropaganda. Dass ausgerechnet Sarajevo – eine Stadt, die sich in den 90er-Jahren als Symbol für Leid und den Ruf nach Frieden in das europäische Gedächtnis eingebrannt hat – sich nun durch solche Rhetorik selbst demontiert, ist erschütternd. Die Absage unseres Treffens durch das Hotel geschah offenbar auf politischen Druck hin. Das Schweigen anderer Regierungsstellen belegt: Bosnien und Herzegowina hat nicht nur der jüdischen Gemeinschaft, sondern auch sich selbst einen Bärendienst erwiesen.
Europa darf sich nicht wegducken, wenn Antisemitismus in neuem Gewand daherkommt. Wer wie Bosnien und Herzegowina EU-Mitglied werden möchte, muss zeigen, dass er die Grundwerte dieser Union verinnerlicht hat. Was in Sarajevo geschehen ist, widerspricht den EU-Grundwerten fundamental. Und dennoch: Als Rabbiner strecken wir weiter die Hand aus. Unsere Tagung wird nun in München stattfinden. Aber Sarajevo bleibt eingeladen. Die Tür ist nicht geschlossen.
Der Autor ist Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz.