Ronen Steinke

Revisionismus: Justiz, bitte dagegenhalten!

Ronen Steinke Foto: Peter von Felbert

Ronen Steinke

Revisionismus: Justiz, bitte dagegenhalten!

Die Justiz sollte gegen Verharmlosung des Holocaust vorgehen statt historische Aufklärer einzuschüchtern

von Ronen Steinke  15.11.2020 10:15 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren der Staatsanwaltschaft Göttingen, ich bitte höflichst, eine Selbstanzeige aufzunehmen. Es geht um die Verbreitung »ehrenrühriger Tatsachen zum Nachteil der Wehrmachtssoldaten«. Wegen dieses Vorwurfs haben Sie kürzlich gegen einen Historiker ermittelt, den Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner. Der Vorwurf: Er habe zu den Verbrechen der Wehrmacht publiziert. Nun gilt es, ein Eingeständnis zu machen.

So wie der Historiker Wagner seit vielen Jahren Standards setzt bei der Aufklärung über den deutschen Vernichtungskrieg, muss sich jeder, der wie er gegen den Entlastungsmythos von der vermeintlich »sauberen Wehrmacht« anschreibt, aber bislang keine Post von Ihnen bekommen hat, doch fragen, was er oder sie falsch macht.

Schleichend, aber hartnäckig verschiebt die AfD die Maßstäbe.

Gewiss: Die Ermittlung haben Sie nach heftigen Protesten eingestellt. Die Idee kam ursprünglich von ein paar AfD-Leuten aus Niedersachsen. Diese hatten Anzeige gegen den Historiker erstattet. Darauf hatten Sie den Historiker gefragt, was er denn zu seiner Verteidigung vorzubringen habe. Immerhin: Davon sind Sie unter öffentlichem Druck wieder abgerückt.

AUFSCHREI Was aber bleibt: Wenn es erst eines öffentlichen Aufschreis bedarf, um die Einschüchterung der historischen Aufklärer zu stoppen, dann wirft dies die Frage auf, in wie vielen Fällen Ihre Staatsanwälte ungehindert voranschreiten, von denen die Öffentlichkeit bloß nichts mitbekommt.

Für die Geschichtsrevisionisten in der AfD ist das schon ein Erfolg. Zentimeter für Zentimeter erobern sie Gelände. Schleichend, aber hartnäckig verschieben sie die Maßstäbe.

Was es bräuchte, wäre eine Justiz, die dagegenhält. Im niedersächsischen Salzgitter postet die AfD eine Fotomontage eines KZ-Tors mit dem Satz »Impfung macht frei«. Und korrigieren Sie mich, wenn ich irre: Gegen diese Verharmlosung des Holocaust durch Gleichsetzung mit der heutigen Corona-Politik gehen Sie bislang nicht vor.

Der Autor ist Redakteur der »Süddeutschen Zeitung«.

Meinung

BSW und AfD: Zwei Ausprägungen desselben autoritären Denkens

Sahra Wagenknecht und ihre Partei nähern sich den Rechtsextremen immer weiter an. Spätestens jetzt ist klar: Am BSW gibt es nichts Progressives

von Igor Matviyets  09.07.2025

Meinung

»Demokratie leben« braucht eine Inventur

Die Idee hinter dem Förderprogramm des Bundes mag gut sein, die Umsetzung ist es nicht. Viel zu oft profitieren Extremisten und Israelhasser von den öffentlichen Geldern

von Lennart Pfahler  08.07.2025

Meinung

Die Kirche schafft sich ab

Jetzt soll ausgerechnet der Antizionismus helfen, den gesellschaftlichen Niedergang der Kirche zu stoppen

von Josias Terschüren  08.07.2025

Michael Roth

Warum Jean Asselborn nicht mehr mein Freund ist

Luxemburgs langjähriger Außenminister verbreitet bei Tilo Jung Verschwörungstheorien über Israel. Nun kündigt ihm ein sozialdemokratischer Weggefährte die Freundschaft

von Michael Roth  07.07.2025 Aktualisiert

Meinung

New York: Zohran Mamdani und der Clash der Generationen

Der Bürgermeisterkandidat der Demokraten wurde nicht zuletzt wegen seiner antizionistischen Haltung gewählt. Während er unter jungen jüdischen New Yorkern Unterstützer hat, stehen die älteren überwiegend fest an Israels Seite

von Hannes Stein  06.07.2025

Kommentar

Zürich sollte Francesca Albanese keine Bühne bieten

Die antisemitische UN-Sonderberichterstatterin tritt am Freitag in der Zürcher Zentralwäscherei auf - subventioniert durch die Steuerzahler der Stadt

von Ronny Siev  03.07.2025

Kommentar

Liebe statt Tod

Die israelische Armee kämpft für unsere Freiheit, auch die der verlorenen Seelen auf dem Glastonbury-Musikfestival, die den Tod israelischer Soldaten gefordert haben

von Frank Schmiechen  03.07.2025

Kommentar

Justiz: Im Zweifel für Antisemitismus?

Ein Verwaltungsgerichtsurteil lässt große Zweifel aufkommen, dass es alle mit der Bekämpfung von Antisemitismus unter Beamten ernst meinen

von Michael Thaidigsmann  02.07.2025

Meinung

Die Erforschung von Antisemitismus braucht Haltung und Strukturen

Damit die universitäre Wissenschaft effektiv zur Bekämpfung von Judenhass beitragen kann, muss sie zum einen schonungslos selbstkritisch sein und zum anderen nachhaltiger finanziert werden

von Lennard Schmidt, Marc Seul, Salome Richter  02.07.2025