Meinung

Es ist unmenschlich, jesidische Flüchtlinge abzuschieben

Reinhard Schramm Foto: IMAGO/ari

Es ist für mich unerträglich, dass jesidische Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz gefunden haben, in den Irak abgeschoben werden. Dorthin, wo ihnen unermessliches, erdrückendes Leid widerfahren ist, wo sie verfolgt, vergewaltigt und misshandelt wurden, wo ihre Angehörigen ermordet wurden und wo sie immer noch systematischer Diskriminierung ausgesetzt sind.

Als Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen hatte ich mich gemeinsam mit den Vorsitzenden des Freundeskreises Israel im Thüringer Landtag, Katharina König-Preuss (Die Linke) und Andreas Bühl (CDU) an Bundeskanzler Olaf Scholz sowie an die Bundesministerinnen Nancy Faeser und Annalena Baerbock gewendet, um echten Schutz für Jesiden und Jesidinnen zu fordern: Recht auf Asyl und Familienzusammenführung. Bisher vergebens. Zuvor hatte der zuständige Minister in Thüringen Hilfe versprochen – auch vergebens. In ihrer verzweifelten Sehnsucht nach Gerechtigkeit gingen jesidische Aktivisten in den Hungerstreik, ebenfalls vergebens.

Wer wie ich die jesidische Familienbande, ihre Kultur und ihre Feste schätzen gelernt hat, vor allem aber das tragische jesidische Schicksal kennt, wird die Abschiebung von Jesiden, das Auseinanderreißen von Familien und die Verhinderung der Familienzusammenführung empört verurteilen. Deshalb rufe ich die deutsche Gesellschaft auf: Empört euch!

Als viele Partner unserer Jüdischen Landesgemeinde Thüringen am 7. Oktober zögerten, das Pogrom gegen das jüdische Volk in Israel und die Freudentänze muslimischer Antisemiten angesichts der Morde an unschuldigen Juden zu verurteilen, tat dies als einer der ersten unser Freund Murad Murad, Vorsitzender der Jesidische Gemeinschaft Thüringen e.V. und Vertreter des Verbandes unabhängiger Ezidischen Vereinigungen. Er schrieb noch am 7. Oktober: »Was die Israelis jetzt erwartet, ist kein Krieg, sondern Terrorismus und Völkermord. Sie töten Kinder und alte Menschen und vergewaltigen Frauen. Dieselben Terrorgruppen, ISIS, die die Jesiden am 3. August 2014 in Şengal angegriffen haben. Unsere Herzen sind bei Israel. Es lebe das jüdische Volk.«

Ich frage mich mit großer Nachdenklichkeit: Ist es nicht unmenschlich, die Angehörigen von Murad Murad abzuschieben? Wäre es nicht richtig, muslimische antisemitische Straftäter ohne deutsche Staatsangehörigkeit abzuschieben, die 85 Jahre nach der Reichspogromnacht auf deutschen Straßen auch meine ermordeten Angehörigen verhöhnen?

Der Autor ist Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen.

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

Meinung

Für das Leben entscheiden

Die Fortführung der Kampfhandlungen in Gaza gefährdet das Leben der Geiseln und den moralischen Fortbestand Israels. Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden

von Sabine Brandes  16.09.2025

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Meinung

Lasst uns nicht allein!

Nach dem Canceln von Lahav Shani durch das Flandern-Festival in Gent befürchtet Maria Ossowski, dass Juden Europa jetzt verlassen wollen

von Maria Ossowski  11.09.2025

Meinung

Gent: Boykottiert die Boykotteure!

Dass die Münchner Philharmoniker in Gent nicht auftreten dürfen, weil sie mit Lahav Shani einen israelischen Dirigenten haben, ist eine Schande - und erfordert eine deutliche Antwort deutscher Kulturschaffender

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Meinung

Wenn Wutausbrüche Diplomatie ersetzen

So verständlich der Frust ist, tut sich Israels Regierung mit ihrer aggressiven Kritik an westlichen Regierungen und ihren Einreiseverboten für europäische Politiker keinen Gefallen

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Meinung

Bitte mehr Sorgfalt, liebe Kollegen!

Weltweit haben Medien die Geschichte verbreitet: In Gaza sei ein hilfesuchendes Kind von Israelis erschossen worden. Es stimmt nur nicht, wie sich nun herausstellt. Von professionellen Journalisten darf man eigentlich mehr erwarten

von Susanne Stephan  08.09.2025

Essay

Das Gerücht über Israel

Die Geschichte des Antisemitismus ist eine Geschichte der Lüge. Was früher dem Juden als Individuum unterstellt wurde, wird nun Israel als Nation vorgeworfen

von Daniel Neumann  06.09.2025 Aktualisiert

Meinung

Einseitig, fehlerhaft, selbstgerecht

Die »International Association of Genocide Scholars« bezichtigt Israel des Völkermords. Die Hamas spricht sie von jeder Verantwortung für die Lage in Gaza frei. Eine Erwiderung

von Menachem Z. Rosensaft  05.09.2025