Die Massenproteste in Israel werden in Russland und der Ukraine aufmerksam verfolgt, denn der jüdische Staat ist für beide Kriegsparteien von Bedeutung. Viele ukrainische und russische Juden sind vergangenes Jahr nach Israel geflohen. Moskau versucht, Braindrain und Kapitalflucht aufzuhalten und israelische Militärunterstützung für die Ukraine zu verhindern. Kiew freut sich über Jerusalems humanitäre und geheimdienstliche Hilfe und hofft weiter auf direkte Waffenlieferungen.
Der Kreml zeigt sich von der Eskalation auf der Straße besorgt, aber betont, sich in Israels innere Angelegenheiten nicht einzumischen. Auch Kiew agiert bewusst vorsichtig. Während die Ukraine die neuesten prowestlichen Proteste in Georgien offen unterstützte, bleibt man im Falle Israels eher neutral. Diese Haltung überrascht nicht: Die Lage in Israel ist zu unübersichtlich, und man möchte am Ende nicht auf der Verlierer-Seite stehen.
demokratie Offener sind jedoch die Medien in Russland und der Ukraine. Die ukrainische Presse sympathisiert mit der Protestbewegung. Wegen ihrer jüngsten politischen Geschichte sehen sich viele Ukrainer als Vorkämpfer für Demokratie. Sie bringen Netanjahu angesichts seiner früheren Putin-Nähe wenig Vertrauen entgegen. Hinzu kommt die naive Hoffnung, bei einem Regierungswechsel würde Jerusalem mehr für die Ukraine tun.
Der Kreml zeigt sich von der Eskalation auf der Straße besorgt, aber betont, sich in Israels innere Angelegenheiten nicht einzumischen. Auch Kiew agiert bewusst vorsichtig.
In Russland vermuten die Staatsmedien einen von den USA organisierten »israelischen Maidan«, mit dem der Westen Netanjahus Regierung unter einem scheinheiligen Vorwand stürzen wolle. Der EU attestiert die russische Presse Doppelmoral: Man werfe Russland Menschenrechtsverletzungen vor und verschließe die Augen vor dem Umgang mit Demonstranten in Israel.
Russische Propagandisten jüdischer Herkunft stellen sich auf Netanjahus Seite, während ihre nichtjüdischen Kollegen Verschwörungstheorien über »russisch-jüdische Revoluzzer« bemühen und die israelischen Proteste sogar auf aus Russland zugewanderte Putin-Gegner zurückführen.
Der Autor ist Historiker und lebt in Düsseldorf.