Shahrzad Eden Osterer

Ich sehe in Deutschland immer öfter, wovor ich aus dem Iran geflohen bin

Shahrzad Eden Osterei Foto: Johannes Graf

Shahrzad Eden Osterer

Ich sehe in Deutschland immer öfter, wovor ich aus dem Iran geflohen bin

Nach dem Anschlag von München fragt sich unsere Autorin, ob sie ihre Kinder noch schützen kann

von Shahrzad Eden Osterer  11.09.2024 18:04 Uhr

Es war eine schreckliche Nacht. Ich konnte nicht schlafen, dabei schlafe ich normalerweise wie ein Stein. Aber in letzter Zeit merke ich, wie die letzten zwei Jahre mich körperlich einholen: Die Repression gegen die Menschen im Iran, die Passivität der demokratischen Länder gegenüber dem Regime, der Terror am 7. Oktober, der Antisemitismus, der danach auf der ganzen Welt aufflammte. Der Krieg, die Angst um meine Kinder hier, um meine Familie im Iran und Israel.

Die Kopfschmerzen in dieser Nacht wurden immer schlimmer, mir war übel. Mein Sohn freute sich so sehr, nach den Sommerferien wieder in den Kindergarten zu gehen, und ich hatte ihm versprochen, mit der Tram zu fahren – seine Lieblingsroute. Er liebt es, meine zu großen Kopfhörer aufzusetzen, Geschichten zu hören und dabei aus dem Fenster zu schauen, während er meine Hand hält.

Doch ich wusste, dass ich es nicht schaffen würde. Ich dachte daran, wie enttäuscht er sein würde. Am Morgen musste ich ihm erklären, dass ich ihn nicht bringen kann. Er war verärgert, natürlich. Ich meldete ihn im Kindergarten ab und schlief dann für ein paar Stunden. Als ich aufwachte, gab es Nachrichten, Anrufe, ob es uns gut gehe. Ich war verwirrt. Dann las ich die Nachricht eines Freundes: Ein Islamist hatte versucht, das israelische Konsulat anzugreifen – direkt an der Strecke, auf der wir mit der Tram gefahren wären, zur gleichen Zeit.

Die Gefühle überwältigten mich: Erleichterung, Wut, Zweifel. Zum Glück war niemand vor Ort, aber der Gedanke, dass es uns hätte treffen können, ließ mich erstarren. Meine Tochter, die noch Ferien hatte, wollte wie so oft Eis kaufen gehen. Aber ich ließ sie nicht. Sie versteht die Welt nicht mehr, und ich versuchte ihr zu erklären, was passiert war.

Mit ihren neun Jahren weiß sie schon zu viel, das war unvermeidbar. Ich flüsterte ihr zu: »Ein Terrorist war in der Nähe unterwegs. Ich weiß nicht, ob da noch andere sind.« Sie nickte und verstand sofort, dass der fünfjährige Bruder nichts davon erfahren sollte. Den ganzen Tag über hörte ich in meinem Kopf die Rufe von »Globalize the Intifada«, und ich konnte kaum fassen, dass ich hier, in Deutschland immer öfter, genau dem begegnete, wovor ich aus dem Iran geflohen war. Ich frage mich, ob ich meine Kinder davor wirklich schützen kann.

Die Autorin ist Journalistin für den Bayerischen Rundfunk.

Meinung

Wieder ein Milliarden-Blankoscheck für Palästina?

Europa will den Wiederaufbau Gazas mit 1,6 Milliarden Euro fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, durch Scheckbuchdiplomatie etwas zum Besseren verändern zu können?

von Jacques Abramowicz  08.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  07.11.2025 Aktualisiert

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  06.11.2025

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  02.11.2025

Kommentar

Politisches Versagen: Der Israelhasser Benjamin Idriz soll den Thomas-Dehler-Preis erhalten

Wer, wie der Imam, den 7. Oktober für seine Diffamierung des jüdischen Staates und der jüdischen Gemeinschaft instrumentalisiert, ist eines Preises unwürdig

von Saba Farzan  28.10.2025

Meinung

Antisemitismus der Anständigen

Judenhass in der Schweiz ist brandgefährlich, weil er so höflich und diskret daherkommt

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.10.2025

Meinung

Die SP im moralischen Blindflug

Mit zwei widersprüchlichen Resolutionen beweist die Sozialdemokratische Partei der Schweiz einmal mehr ihre ethische Orientierungslosigkeit

von Nicole Dreyfus  27.10.2025

Meinung

Warum die UNRWA seit 77 Jahren den Frieden in Nahost blockiert

Das UN-Flüchtlingshilfswerk für die Palästinenser verursacht erhebliche Probleme. Daher gibt es nur einen Weg

von Jusek Adlersztejn  27.10.2025