Wussten Sie, dass Israel allein in diesem Monat rund 34.000 Tonnen Hilfsgüter in den Gazastreifen gebracht hat, um zur Ernährung der palästinensischen Zivilbevölkerung beizutragen? Wussten Sie, dass die US-Agentur »Gaza Humanitarian Foundation« pro Tag mehrere Millionen Mahlzeiten austeilt, damit die Menschen in dem Kriegsgebiet mit dem Nötigsten versorgt werden? Wussten Sie, dass Israel vorletzte Woche mehr als 600 Lkw-Ladungen nach Gaza eingeführt hat – unter hohem logistischem Aufwand und ebenso großer Gefahr?
Wussten Sie, dass in diesen Tagen Hunderte Tonnen an Hilfslieferungen an der Grenze zu Gaza in der Sonne verrotteten, weil die Vereinten Nationen und andere Organisationen sie schlicht und einfach nicht abholten, zugleich aber die israelische Regierung lauthals anklagten, die Einwohner von Gaza auszuhungern? Wussten Sie, dass Ägypten die Grenze zu Gaza fast komplett abschottet und nahezu keine Hilfslieferungen ermöglicht?
Wussten Sie, dass viele der schockierenden Fotos, die zurzeit im Netz und in seriösen Medien zirkulieren, in Wahrheit keine unter Hunger leidenden Kinder zeigen, sondern Kinder mit unheilbaren Krankheiten?
Wussten Sie, dass Israel einräumt, dass die humanitäre Lage im Gazastreifen angespannt ist, was Kriegen oftmals leider immanent ist, aber eine Hungersnot vehement bestreitet? Wussten Sie, dass in den USA, einem der reichsten Länder der Welt, fünf bis sieben Prozent der Kinder unterernährt sind, während im Gazastreifen laut dem Palästinenserhilfswerk UNRWA nur unwesentlich mehr Kinder Symptome von Unterernährung zeigen, nämlich aufgerundet neun Prozent?
Wussten Sie, dass Israel das einzige Land in der Geschichte ist, das – mit guten Gründen – die Bevölkerung jenes Landes ernährt, von dem es angegriffen wurde und gegen das es sich nun mit militärischen Mitteln zur Wehr setzen muss, um nicht erneut angegriffen zu werden und um die eigenen Staatsbürger, die als Geiseln genommen wurden, zu befreien?
Wer sich überwiegend in deutschen Medien informiert, wird die Mehrheit der oben genannten Fragen mit großer Wahrscheinlichkeit mit Nein beantworten. Und mehr noch: Die Wahrscheinlichkeit ist nicht eben gering, dass die Fragen als Versuch gewertet werden, das Leid in Gaza zu relativieren oder gar zu negieren. Weder das eine noch das andere ist zutreffend.
Um es klar zu sagen: Die Not in Gaza ist real. Und sowohl die internationale Gemeinschaft als auch Israel müssen noch mehr, sie müssen alles dafür tun, dass dieses Leid möglichst schnell aufhört.
Zugleich entsprechen die oben genannten Informationen zu hundert Prozent den Tatsachen. Jerusalem ist zwar im Begriff, die Hamas militärisch zu besiegen. Den Krieg der Informationen und der Bilder aber hat die palästinensische Terrororganisation schon längst gewonnen – begünstigt durch das Versagen westlicher Journalisten und Politiker. Wie »WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt jüngst feststellte, als die Wochenzeitung »Die Zeit« einen schonungslos-ehrlichen Text von Maxim Biller kurzerhand »depublizierte«: Der Westen wird gerade vergiftet, insbesondere durch die Akzeptanz der Hamas-Propaganda in der Presse. Denn der Vorwurf – oder genauer: die Lüge –, Israel würde die palästinensische Zivilbevölkerung aushungern und einen Völkermord begehen, ist mittlerweile Mehrheitsmeinung.
Es ist ein abgedroschenes Zitat, aber es stimmt: Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit. Seit dem Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten am 7. Oktober 2023 erlebt die Welt die Neuauflage von alten antisemitischen Verschwörungserzählungen. Früher hieß es kontrafaktisch, dass die Juden christliche Kinder umbringen würden, um mit deren Blut Mazzot herzustellen. Heute heißt es ebenso kontrafaktisch, Israel – der Jude unter den Staaten – hungere Kinder in Gaza aus oder erschieße willkürlich unschuldige Zivilisten, um sich deren Heimat einverleiben zu können. Die Maxime scheint zu lauten: Je abwegiger, je abartiger der Vorwurf gegen den Judenstaat, desto besser.
Es ist ein Narrativ mit fatalen Folgen. Ein kleines, im Vergleich zu anderen Vorgängen fast schon harmloses Beispiel: Während Linken-Chef Jan van Aken gegen die angeblichen »Hungermörder« in Israel hetzt, übernehmen seine Follower auf dessen Social-Media-Seite die Hetze gegen Juden in der Diaspora, etwa gegen den Pianisten Igor Levit oder die Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch, die »sofort verhaftet und einem Kriegsverbrechertribunal zugeführt« werden sollten. Einspruch vom Linken-Chef? Fehlanzeige!
Früher galt mit Jean Améry: »Der Antisemitismus, mit dem wir es heute zu tun haben, nennt seinen Namen nicht. Im Gegenteil: Will man ihn haftbar machen, verleugnet er sich. (…) Er sei nicht der, als den man ihn hinstelle, nicht Antisemit also sei er, sondern Anti-Zionist!« Heute gilt nicht einmal mehr das. Mittlerweile ist alles erlaubt. Alle Dämme sind gebrochen. Der Judenhass zeigt sich ganz ungeniert.
Ein antisemitischer Sturm wütet zurzeit durch Europa, wie wir ihn in der Intensität seit Jahrzehnten nicht erlebt haben: Die Antisemitismusstatistiken explodieren geradezu. Immer mehr Juden in Berlin erwägen, ihre Heimat zu verlassen. In Österreich werden Juden aus Restaurants und Campingplätzen geschmissen, bloß weil sie Israelis sind; in Frankreich wird ein Rabbiner verprügelt, in Spanien jüdische Jugendliche aus Flugzeugen geworfen, bloß weil sie auf Hebräisch singen.
Wehret den Anfängen? Davon kann keine Rede sein! Stattdessen: Aber das Völkerrecht! Aber der angebliche Völkermord in Gaza! Das Maß ist voll. Es ist schon lange nicht mehr zu ertragen.
Und unsere Politiker? Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kapituliert einmal mehr vor der muslimisch-arabischen Straße und will noch im Herbst dieses Jahres einen palästinensischen Staat anerkennen. Bereits Ende 2023 feierten die muslimisch-israelfeindlichen Banlieues den Politiker, als dieser erklärte, nicht an der großen Anti-Antisemitismus-Kundgebung in Paris teilzunehmen, weil er den Staatsfrieden nicht gefährden wolle. Sprich: Wenn er teilnimmt, brennen die Banlieues.
Nun darf sich also die Hamas freuen: Massenmord lohnt sich! Als Geschenk für die Ermordung von über 1200 israelischen Babys, Kindern, Müttern, Familienvätern und Holocaust-Überlebenden gibt es endlich einen eigenen Staat! 77 Jahre lang hat die palästinensische Führung keine Gelegenheit ausgelassen, Gelegenheiten auszulassen, sich auf eine Zwei-Staatenlösung zu einigen, und jetzt soll es einen eigenen Staat ohne Verhandlungen, gänzlich frei Haus geben.
Wer mag den Palästinensern widersprechen, wenn sie sagen: Die Europäer sind nützliche Idioten. Sie sind tatsächlich noch dümmer, als wir vermutet haben.
Vergangene Woche lief eine Meldung über die Ticker, der inmitten der Völkermordvorwürfe gegen Israel fast keine Beachtung geschenkt wurde. Der Inhalt: Die USA zogen ihr Verhandlungsteam aus Katar frustriert ab. Die Hamas wolle keine Waffenruhe, stellte der US-Sondergesandte Steve Witkoff geradezu gekränkt-empört fest.
Überraschung: Natürlich will die Hamas keinen Frieden! Die Hamas wird die israelischen Geiseln und ihr eigenes Volk weiter quälen. Die Hamas versucht, sich weiterhin an der Macht zu halten, koste es was es wolle.
Unterdessen werden Bundeskanzler Friedrich Merz und sein Außenminister Johann Wadephul (beide CDU) nicht müde, die israelische Regierung öffentlich anzuzählen und an den Pranger zu stellen. Jerusalem zu kritisieren, auch scharf, ist ihr gutes Recht und immer wieder auch notwendig, wie bei jedem anderen Staat weltweit auch. Die grundsätzlich guten und gefestigten deutsch-israelischen Beziehungen halten das aus.
Doch immer öfter muss man sich fragen: warum diese komplette Einseitigkeit? Warum spricht die Bundesregierung neuerdings Israel das Recht ab, sich gegen die Hamas zur Wehr zu setzen? Warum blieben zudem über Wochen die Hinweise auf die grausamen Schicksale der israelischen Geiseln – unter ihnen übrigens mehrere deutsche Staatsbürger – in den Fängen der Hamas aus? Warum wird bis heute kein Druck auf die Hamas und ihre Unterstützer in Iran oder Katar ausgeübt, um endlich die restlichen Geiseln zu befreien und die Hamas zur Kapitulation zu bewegen?
Niemand möge sich angesichts dessen wundern, dass es der Hamas seit anderthalb Jahren gelingt, die Friedensverhandlungen systematisch zu sabotieren und im Wortsinne zu attackieren.
Man muss es so deutlich sagen: Sowohl der Bundeskanzler als auch der Außenminister haben die Geiseln, die von der Hamas wie Tiere in Ketten in Tunneln unter Gaza gehalten, misshandelt und ausgehungert werden, über Wochen im Stich gelassen. Sie lassen zunehmend auch Israel im Stich.
Beide klingen immer mehr wie Ex-Außenministerin Annalena Baerbock, deren verheerende Nahost-Politik beide, sowohl Merz als auch Wadephul, nach dem 7. Oktober 2023 rund anderthalb Jahre lang im Bundestag so treffend und pointiert kritisiert hatten.
Keine Übertreibung, keine billige Polemik, keine Relativierung: Es ist ein großes Glück, dass es in den 40er-Jahren weder Live-Ticker noch TikTok gab. Warum? Wahrscheinlich hätten die Nationalsozialisten die Angriffe der Alliierten als Völkermord, als Genozid skandalisiert und große Teile der Welt hätten auf Frieden mit dem NS-Regime gedrängt.
Im Grunde ist es ebenso banal wie einleuchtend: Israel hat alles Recht der Welt, sich gegen den Terror der Hamas zur Wehr zu setzen. Alles Recht, die eigenen Staatsbürger, die von der Hamas verschleppt wurden, zu befreien. Alles Recht, künftige Angriffe zu unterbinden. Und alles Recht, künftig endlich in Frieden und in Freiheit mit seinen Nachbarn zu leben.
Kein Land auf der Welt würde es zulassen, Tür an Tür mit einer hochgerüsteten Armee zu leben, die alles dafür tun würde, den Nachbarn auszulöschen. Warum also verlangt man dies von Israel?
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