Rabbiner Boris Ronis

Einsatz für die Schöpfung

Rabbiner Boris Ronis Foto: Stephan Pramme

Die Ereignisse in der Ukraine sind erschreckend und beängstigend. Wieder scheint der Krieg seinen Weg nach Europa gefunden zu haben, und mich schaudern die Bilder der Gegebenheiten in meinem Geburtsland. Menschen sind erneut auf der Flucht und bangen um ihr Leben und das ihrer Familien.

Besonders schlimm empfinde ich die Bilder der fliehenden Frauen und Kinder, die zu Fuß Grenzen überschreiten und sich so retten können. Ihre Ehemänner bleiben. Sie reisen nicht aus der Ukraine aus, sie schließen sich der Armee an und kämpfen für die Unabhängigkeit ihres Landes.

zerrissenheit Bei Gesprächen mit Gemeindemitgliedern fällt mir eine gewisse Zerrissenheit unter den Betern auf. Auf der einen Seite treffe ich Gemeindemitglieder, die nunmehr fast täglich gegen den Krieg vor der russischen Botschaft demonstrieren. Auf der anderen Seite sehe ich, wie Gemeindemitglieder demonstrativ aufstehen und die Synagoge verlassen, wenn ich mich bei meinen Predigten gegen den Krieg stelle.

Teilweise höre ich mit großer Sorge, wie sich der Riss der Meinungen innerhalb von Familien vollzieht – nach dem Motto, die einen sind für den Krieg, und die anderen sind dagegen. Leider bleibt uns in dieser Situation nicht viel übrig, als abzuwarten, was weiter passieren wird.

In unserer Natur vereinen sich sowohl das Menschliche als auch das Grausame.

Die, die Familie und Freunde haben, versuchen gerade, diese hierher nach Deutschland zu bringen. Dazu lese ich viele Aufrufe in den sozialen Medien. Viele Menschen halten hilfesuchend und verzweifelt etwa nach Transportmöglichkeiten Ausschau. Einmal mehr zeigt sich, wozu Menschen fähig sind.

In unserer Natur vereinen sich sowohl das Menschliche als auch das Grausame. Mit seinen Händen vermag es der Mensch, Schönes und Sinnvolles zu erschaffen, auf der anderen Seite auch zu zerstören und zu vernichten.

ZUKUNFT Beides sind Dinge, die wir frei entscheiden können. Ich für meinen Teil stelle einmal wieder fest, dass ich mich nur für das Erschaffende, die Schöpfung einsetzen will und werde.

Dazu gehört es auch, Freiheit und Demokratie entschieden zu verteidigen und zu stärken. Das sind und bleiben wir unserer Vergangenheit, unserer Zukunft – und besonders unserer Gegenwart schuldig.

Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025

Nahost

Warum Deutschland seine Botschaft in Israel nach Jerusalem verlegen sollte

Ein Kommentar von JA-Redakteur Imanuel Marcus

von Imanuel Marcus  21.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Meinung

Weitermachen oder die jüdische Resilienz

Verfolgung, Exil und Gewalt konnten es nicht brechen: Die Widerstandsfähigkeit des jüdischen Volkes prägt seine Geschichte bis heute

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Meinung

Unsere Antwort ist Leben!

Chanukka ist das beharrliche Bestehen darauf, dass Mord und Terror nicht das letzte Wort haben. Ein Kommentar zum Terroranschlag von Sydney

von Jan Feldmann  18.12.2025

Meinung

Warum ich Sydney nicht verlassen werde

Der Terroranschlag von Bondi Beach wurde auch möglich, weil die Mehrheitsgesellschaft den Antisemitismus im Land ignoriert hat. Unsere Autorin sagt trotzdem: Ihre Heimat als Jüdin ist und bleibt Australien

von Amie Liebowitz  17.12.2025