Ron Dekel

Eine verschleppte Chance

JSUD-Präsident Ron Dekel Foto: Gregor Matthias Zielke

Ron Dekel

Eine verschleppte Chance

Das Projekt eines deutsch-israelischen Jugendwerks versinkt in bürokratischen Debatten und ist damit ein Sinnbild für Deutschlands Trägheit im Kampf gegen Antisemitismus und Israelhass

von Ron Dekel  27.03.2025 13:55 Uhr

Seit Jahren wird über die Schaffung eines deutsch-israelischen Jugendwerks diskutiert. 2018 beschloss der Bundestag dessen Einrichtung, doch bis heute konnte man sich nicht einmal auf einen Standort einigen. Zur Auswahl stehen Lutherstadt Wittenberg, Weimar und München. Während die Entscheidung weiter aussteht, steigt die Anzahl antisemitischer Vorfälle in Deutschland auf neue Höchststände.

An deutschen Universitäten werden jüdische Studierende bedroht, während antisemitische Narrative auf TikTok und anderen sozialen Netzwerken ungefiltert verbreitet werden. Um hier ein Gegengewicht zu bilden, wäre das Jugendwerk eine echte Chance: Es würde den Austausch zwischen Jugendlichen aus Deutschland und Israel fördern, einen Raum für Bildung und persönliche Begegnungen schaffen. Stereotype könnten abgebaut, Vorurteile überwunden werden.

An deutschen Universitäten werden jüdische Studierende bedroht, während auf sozialen Netzwerken ungefiltert antisemitische Narrative verbreitet werden.

Doch stattdessen versinkt das Projekt in bürokratischen Debatten und ist damit ein Sinnbild für Deutschlands Trägheit im Kampf gegen Antisemitismus und Israelhass. Nach dem 7. Oktober 2023 wiegt das Versäumnis umso schwerer. Auch die Standortdebatte zeigt, mit wie wenig Problembewusstsein an das Projekt herangegangen wird. So steht die Lutherstadt Wittenberg als Option von jüdischer Seite in der Kritik, da Martin Luther nicht nur als Reformator, sondern auch als antisemitischer Hetzer in die Geschichte eingegangen ist.

Doch wichtiger als der Standort ist, dass das Projekt endlich umgesetzt wird. Die regelmäßig vorgetragenen Forderungen der Politik nach Aufklärung und Prävention im Kampf gegen Juden- und Israelhass drohen, zu Floskeln zu verkommen. Gegen Antisemitismus helfen keine Sonntagsreden, sondern konkrete Maßnahmen, und die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel wächst nicht durch Gedenkveranstaltungen, sondern durch echte Begegnungen. So war es auch bei der deutsch-französischen Annäherung, die erst durch persönliche Treffen junger Menschen wirklich lebendig wurde.

Der Autor ist Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD).

Meinung

Die Namen in die Welt schreien

24 junge Männer in der Gewalt der Hamas sind wahrscheinlich noch am Leben - sie können und müssen durch ein Abkommen gerettet werden

von Sabine Brandes  28.04.2025

Meinung

Die UN, der Holocaust und die Palästinenser

Bei den Vereinten Nationen wird die Erinnerung an den Holocaust mit der »Palästina-Frage« verbunden. Das ist obszön, findet unser Autor

von Jacques Abramowicz  25.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  24.04.2025

Meinung

Ich habe versagt

Damit sich ein Ereignis wie die Schoa nicht wiederholt, kommt es darauf an, wie wir erinnern. Doch wir sind offenbar dabei, genau das den Falschen zu überlassen

von Sophie Albers Ben Chamo  23.04.2025

Jom Haschoa

Zwei Minuten Stillstand?

Sollte in Deutschland in derselben Art und Weise wie in Israel an die Opfer der Schoa erinnert werden? Ein Gastbeitrag von Felix Klein

von Felix Klein  22.04.2025

Kommentar

Bezalel Smotrich, die Geiseln in Gaza und der moralische Teufelskreis

Zum Gesellschaftsvertrag in Israel gehört es, dass kein Soldat und kein Opfer von Terror zurückgelassen wird. Niemand! Niemals! Koste es, was es wolle. Was es bedeutet, dies nun in Frage zu stellen

von Daniel Neumann  22.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

US-Präsident Trump nimmt den Antisemitismus an der Harvard University zum Anlass für einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Rechtsgleichheit für alle

von Volker Beck  16.04.2025