Günter Jek

Eine Bürgergeld-Erhöhung reicht nicht aus

Günter Jek Foto: Gregor Zielke

Unmittelbar nach dem schwierigen Start der Kindergrundsicherung, deren Umsetzung sich noch hinziehen wird, wartet der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, mit einem unerwarteten Coup auf, der über fünf Millionen Bürger betrifft. Ab 2024 soll das Bürgergeld um rd. 12 % erhöht werden. Für Alleinstehende soll der Regelsatz 563 Euro im Monat statt aktuell 502 Euro betragen.

Dies ist de facto jedoch keine Erhöhung, sondern lediglich ein seit langem erforderlicher Inflationsausgleich für die ärmsten Bewohner dieses Landes. Zudem beinhaltet Heils Ankündigung auch nicht die erhoffte Neudefinition des soziokulturellen Minimums und der bedarfsgerechten Regelsätze.

Trotz Manko bleibt anzuerkennen, dass der Minister der Absicht, »Hartz IV überwinden zu wollen« etwas mehr Glaubwürdigkeit verleiht.

Kaum verkündet, schon regt sich die Kritik am Vorgehen des Ministeriums. Die Erhöhung der Regelsätze benachteilige Arbeitende in den unteren Einkommensstufen, es müsse ein größerer Abstand zwischen Lohn und Transferleistungen gewahrt bleiben, um Arbeit attraktiv zu machen. Wenn die 2005 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung eingeführten Sozialreformen einen besonders spürbaren Effekt hatten, dann war es das massenhafte Entstehen von prekären Beschäftigungsverhältnissen, die nur durch die Aufstockung aus Sozialleistungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts am Rand der Armutsgrenze reichten und in Deutschland den - im Vergleich zu den anderen Kernländern in der EU - größten Niedriglohnsektor schufen.

Niedrige Löhne wurden seitdem über Sozialleistungen subventioniert. Diese nicht rentenfesten Löhne münden in zu geringen Rentenansprüchen, die wiederum steuerfinanziert durch Grundsicherung im Alter bezuschusst werden müssen. 

Unternehmen haben die gesteigerten Gewinne durch die Lohnsubvention über die Sozialkassen zu schätzen gelernt und verteidigen nun medial das Lohnabstandsgebot mehr in eigenem Interesse als aus sozialer Verantwortung. Dass hierzu prekär Beschäftigte gegen Transferleistungsbezieher in Stellung gebracht werden, ist fatal für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. 

Die Abgabenlast auf Löhne und Gehälter in Deutschland ist hoch, Deutschland sichert sein Sozialsystem mit dem größten Einzelposten des Bundeshaushalts in Höhe von rund 1,18 Billionen Euro. Die starke Belastung von Arbeitnehmenden und der gesellschaftliche Anspruch, ein engmaschiges soziales Netz erhalten zu wollen, führen unweigerlich zur Frage, wie diese Herausforderungen zu finanzieren sind.

Ein rentenfester Mindestlohn, Steuergerechtigkeit und eine ausgewogene Lastenverteilung wären wichtige Schritte in diese Richtung und eine große Chance für die Sozialdemokratie, sich ihrer Wurzeln zu besinnen und ihrer ursprünglichen Wählerklientel das Gefühl zu vermitteln, dass es einen Unterschied macht, morgens aufzustehen und zur Arbeit gehen. Dass es sich lohnt, weil es Aufstiegschancen gibt, weil ein soziales Netz vor dem Abstieg schützt, weil eine Protestwahl damit überflüssig ist.

Der Autor ist Leiter des Berliner Büros der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST).

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