Remko Leemhuis

Donald Trump und die Polarisierung

Remko Leemhuis, Director des American Jewish Committee Berlin Foto: privat

Schwer haben es derzeit jene, die sich der Polarisierung des gesellschaftlichen Diskurses verweigern. Nicht nur in den USA, auch in Deutschland gibt es kaum noch Raum für Nuancen oder Differenzierungen. Politische Fragen sind mittlerweile, ganz im Sinne Carl Schmitts, »Freund-Feind-Unterscheidungen«.

Man hat keine unterschiedlichen Haltungen mehr zu Problemen, sondern wo man steht, entscheidet, ob man fortschrittlich oder reaktionär ist, ob man für »das Gute« oder für »das Schlechte« ist. Kurzum: ob man ein guter oder schlechter Mensch ist.

AMERIKANER Jüngstes Beispiel für diese fatale Entwicklung sind die Ausfälle des amerikanischen Präsidenten gegenüber vier Kongressabgeordneten. Im Zentrum dieser Attacken steht Ilhan Omar, die als Kind vor dem somalischen Bürgerkrieg floh. Die Angriffe auf sie gipfelten in der vergangenen Woche in »Schickt sie zurück«-Rufen während einer Veranstaltung Trumps.

Diese Angriffe sind nicht nur deshalb zurückzuweisen, weil sie rassistisch sind, sondern auch, weil sie das Fundament der USA infrage stellen. Im Gegensatz zu Deutschland ist »Amerikaner« zu sein eben keine Frage von Tradition, Herkunft oder Religion. Amerikaner ist, wer sich zu der Idee der Vereinigten Staaten bekennt.

Es ist notwendig, eine dritte Position einzunehmen: Denn Polarisierung
ist der Nährboden der Antisemiten.

Allerdings gibt es in dieser Geschichte auch eine andere Seite: Ilhan Omar fällt immer wieder mit antisemitischen Initiativen und Aussagen auf. So brachte sie erst vergangene Woche eine Pro-BDS-Resolution ein, die den Boykott Israels unter anderem mit dem Nazideutschlands vergleicht, und verbreitete noch vor Kurzem das Stereotyp, wonach amerikanische Juden einen pro-israelischen Einfluss in den USA und anderswo kaufen würden.

Seit dem Ausbruch dieser Kontroverse gibt es auch hierzulande, wie ein Blick in die sozialen Medien verrät, nur noch zwei Positionen: für oder gegen Trump – und damit für oder gegen Omar.

Dabei ist es notwendig, eine dritte einzunehmen: Einerseits sind die Angriffe auf Omar zurückzuweisen, und andererseits verdienen ihre antisemitischen Aussagen deutliche Kritik. Sie kann nicht von Kritik ausgenommen werden, nur weil jede Infragestellung ihrer Positionen als unangebracht erachtet wird. Diese dritte Position ist umso dringender, da die Polarisierung der Nährboden der Antisemiten ist.

Der Autor ist Assistant Director for Policy and Public Affairs beim AJC Berlin.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Meinung

Wir Jungen müssen die Gemeinden stärker mitgestalten

Jüdische Studierende sind vom wachsenden Antisemitismus besonders betroffen. Gleichzeitig sind junge Juden kaum in den Gemeindevertretungen repräsentiert. Das muss sich ändern

von Ron Dekel  30.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  01.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Wenn ein Botschafter Schoa-Überlebende zu Lügnern erklärt

Tom Rose, neuer US-Botschafter in Warschau, hat in einer Rede die Komplizenschaft Tausender Polen während des Holocaust bestritten. Das ist fatal für das Ansehen der USA

von Menachem Z. Rosensaft  29.11.2025

Meinung

Die Flucht der arabischen Juden

Einst lebten viele Juden in der muslimischen Welt. Es ist wichtig, an ihre persönlichen Geschichten von Exil und Mut zu erinnern

von Tair Haim  27.11.2025

Meinung

Die polnische Krankheit

Der Streit um einen Tweet der israelischen Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem zeigt, dass Polen noch immer unfähig ist, sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen

von Jan Grabowski  26.11.2025

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025