Nicole Dreyfus

Die Sozialdemokraten und ihr radikaler Mittelweg

Nicole Dreyfus Foto: Claudia Reinert

Nicole Dreyfus

Die Sozialdemokraten und ihr radikaler Mittelweg

Die SP versteckt sich hinter widersprüchlichen und israelkritischen Resolutionen

von Nicole Dreyfus  29.10.2024 16:54 Uhr

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Bottalk ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Bottalk angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Zwei Dinge kann die Sozialdemokratische Partei (SP) der Schweiz äußerst gut: erstens Resolutionen verabschieden, zweitens sich schwertun, wenn es um Israel geht. Kaum eine andere Partei in der Schweiz treibt der Nahostkrieg so um wie die SP. All das fand seinen Kulminationspunkt auf dem Parteitag in Davos. Da beschloss die SP gleich zwei Resolutionen, die Israel in die Pflicht nehmen.

So wird umgehend ein sofortiger Waffenstillstand in Gaza gefordert (»Alle Parteien müssen ihre Waffen sofort niederlegen«) und bekräftigt, dass »jede militärische Zusammenarbeit und jeden Kriegsmaterialhandel mit sämtlichen beteiligten Staaten in der Region« einzustellen seien. Die Zusatzresolution, eingereicht vom Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga, geht noch einen Schritt weiter und fordert – nur für Israel – ein Waffenembargo.

Doch damit unterwandert sich die Partei in ihrer Argumentation selbst. Ein Staat, dessen Existenzrecht vorausgesetzt sei (das bekräftigt die SP in ihrer Resolution), kann sich nicht verteidigen, wenn ihm dafür keine Waffen zur Verfügung stehen. Dass terroristische Gruppierungen wie die Hamas und die Hisbollah ebenfalls Waffen beziehen, darüber schwiegen sich die Verfasser der Resolutionen aus.

Die Schweizer Linke redet um den heißen Brei in Sachen Israel und Nahostpolitik.

Passend zur Partei, die ohrenbetäubend still war, als vor eineinhalb Wochen publik wurde, dass die Jungsozialisten der Schweiz (Juso) die politische Bewegung »Boycott, Divestment and Sanctions« (BDS) unterstützt. Diese fordert zum Boykott gegen israelische Güter und Dienstleistungen auf. Viele Staaten, darunter auch Deutschland, stufen die Bewegung offiziell als antisemitisch ein, die Schweiz jedoch nicht. Die SP-Spitze, normalerweise sich nicht zu schade, im öffentlichen Diskurs Stellung zu nehmen, hüllte sich auch hier in Schweigen.

Ungleiche Partner

Typisch schweizerisch neutral oder einfach nur zu feige, das Kind beim Namen zu nennen? Diese beiden israelkritischen Resolutionen machen deutlich, was hinter vorgehaltener Hand schon lange gesagt wird: Die Schweizer Linke redet um den heißen Brei in Sachen Israel und Nahostpolitik. Man verbiegt sich beziehungsweise ist sichtlich bemüht, einen Mittelweg zu finden, indem man immer gleichermaßen beide Kriegsparteien verurteilt.

Dabei geht vergessen, dass es sich bei der einen Kriegspartei um Terroristen handelt. Man kann es nicht genug oft betonen: Terrorgruppierungen sind keine Gesprächspartner auf diplomatischer Ebene. Sie werden sich nicht an einen Tisch setzen und Waffenstillstandsverhandlungen zustimmen.

Lesen Sie auch

Da helfen parteiinterne Resolutionen genauso wenig wie die SP-Forderung, die Schweizer Regierung habe sich öffentlich dazu zu verpflichten, die Haftbefehle des Internationales Strafgerichtshofs gegen Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant wie auch gegen Hamas-Führer Yahya Sinwar durchzusetzen. Sinwar, mittlerweile tot, war ein Terrorist, Netanjahu – ist man noch so gegen ihn und seine rechte Politik – nicht.

Internes Problem

Je eingehender man sich mit den beiden SP-Resolutionen befasst, desto mehr Widersprüche werden deutlich. So verlangt die SP außerdem, dass die Schweizer Außenpolitik alles zu unternehmen habe, »um die UNRWA als Hauptträgerin des Multilateralismus in der Region vor ungerechtfertigten Angriffen zu schützen und deren nachhaltige Finanzierung sicherzustellen«. Dass die UNRWA ein undurchsichtiges Netzwerk mit kollaboristischen Tendenzen ist, ist kein Geheimnis mehr. Die Nähe des Palästinenserhilfswerks zur Hamas lässt sich nicht mehr verleugnen.

Man überlässt radikalen Positionen den Vortritt, in dem man sie verschweigt.

Warum also dieser rhetorische Seilakt einer Partei wie der SP? Sind es interne Grabenkämpfe, die zu diesen seltsamen Blüten treiben? Stecken die Jusos dahinter? Offiziell hat die SP kein Antisemitismusproblem. Man gibt sich antirassistisch, bekennt sich offiziell klar gegen jede Form von Antisemitismus und Diskriminierung. Die SP setzt sich auch auf verschiedenen Ebenen aktiv für den Schutz von Minderheiten und gegen rassistische Ideologien ein. Sie hat vor einigen Jahren eine Resolution gegen Antisemitismus verfasst und die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) angenommen.

Trotzdem hat die Partei offensichtlich ein Problem, und zwar ein inneres: Man überlässt radikalen Positionen den Vortritt, in dem man sie verschweigt. Das schadet nicht nur der Partei, sondern auch der Schweizer Außenpolitik.

Außerdem täte sich vor allem der französischsprachige Flügel der Partei gut darin, sich mehr Geschichtsbewusstsein anzueignen. Es war wohl kein Zufall, dass viele Vorstöße, die sich in irgendeiner Weise gegen Israel richten, aus der radikaleren Ecke der französischen Schweiz stammen. Vielleicht liegt es an der Verhaltenheit der Deutschschweizer, möglicherweise aber auch an der historischen Verantwortung, die die SP bis heute trägt.

Meinung

Diktatfrieden abgewendet?

Das Treffen zwischen Donald Trump, Wolodymyr Selenskyj und europäischen Spitzenpolitikern lief besser als erwartet. Doch es ist fraglich, wie lange die Erleichterung anhält

von Nils Kottmann  19.08.2025

Meinung

Rechtsextreme nicht gewähren lassen

Die AfD muss spüren: Wir sehen euch, wir widersprechen – und wir werden euch nicht gewähren lassen

von Tanya Yael Raab  15.08.2025

Einspruch

Wird Alaska das neue München?

Marieluise Beck warnt davor, dass die Verhandlungen zwischen Trump und Putin das Ende eines freien Europas einläuten könnten

von Marieluise Beck  13.08.2025

Debatte

Terrorist mit Presse-Weste

Anas al-Sharif war kein unschuldiger Journalist, sondern Terrorist der Hamas. Ein Kommentar von JA-Chefredakteur Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  12.08.2025

Debatte

Missbrauch der Sarajevo-Haggada für Hetze gegen Israel

Ein Kommentar von Rabbiner Pinchas Goldschmidt

von Rabbiner Pinchas Goldschmidt  11.08.2025

Offener Brief

Lieber Herr Bundeskanzler Merz, ...

Nach Ihrem Wortbruch und dem Schaden für die Staatsraison wünsche ich Ihnen: Einsicht, Selbstkritik, Umkehr - und einen schönen Resturlaub!

von Daniel Neumann  11.08.2025

Meinung

Unterwerfung

Die Entscheidung der Bundesregierung, Waffenlieferungen an Israel zu stoppen, ist keine außenpolitische Randnotiz – sie ist eine Kapitulation vor den lautstärksten antisemitischen Gruppierungen auf Deutschlands Straßen

von Ahmad Mansour  11.08.2025

Gastbeitrag

Warum ich Zionistin bin

Gedanken einer nichtjüdischen Deutschen zum 7. Oktober, Israel und den Krieg gegen die Terrororganisation Hamas

von Stefanie Galla  10.08.2025

Meinung

Die Staatsräson ist tot

Friedrich Merz hat sich einmal mehr als Wendehals ent­pup­pt. Das historische Versprechen, dass Deutschland für die Sicherheit Israels einstehen wird, hat ausgerechnet der Unionskanzler beerdigt

von Philipp Peyman Engel  08.08.2025