Meinung

Die AfD und die »Niederlage« 1945

Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen Foto: IMAGO/ari

Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat 1985 klargemacht, dass der 8. Mai 1945 für die Deutschen kein Tag der Niederlage, sondern ein »Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft« war.

Diese Lesart galt lange Zeit in Deutschland als Konsens. Heute bröckelt dieser Konsens – und wird von der Alternative für Deutschland (AfD) untergraben.

Schuld So kritisierte kürzlich der AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla im Interview mit der Publikation »Sezession« und deren Herausgeber Götz Kubitschek, dass »Deutschlands Niederlagen« beim Gedenken immer mitschwängen und es grundsätzlich problematisch sei, das »Gedenken immer mit der Schuldfrage zu verknüpfen«. Chrupalla fügte hinzu: »Ich bin zuversichtlich, dass in einer multipolaren Welt die Frage nach der Schuld durch die Frage nach den Errungenschaften jeder Zivilisation ersetzt wird.«

Die AfD relativiert die Verbrechen Hitlerdeutschlands.

Chrupallas Relativierung der historischen Schuld an den Millionen Weltkriegstoten, am »Totalen Krieg« und am Holocaust hat leider nicht zu einem Aufschrei geführt, obwohl sie den Rechtsextremismus begünstigt. Seine Aussage steht in einer Reihe mit dem AfD-Ruf nach einer »erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad«, mit Björn Höckes Bezeichnung des Holocaust-Mahnmals in Berlin als »Denkmal der Schande«, mit der Charakterisierung der NS-Zeit als »Vogelschiss« in der langen deutschen Geschichte.

Verantwortung Es ist schlicht verantwortungslos, dass die Sympathisanten der AfD diese Zukunftsvision nicht als das erkennen, was sie ist: eine Gefahr für unsere Demokratie. Dabei ist es gleichgültig, ob das Ganze in Ostdeutschland mit einer Protestwähler-Geste gepaart ist oder ob es, wie in Westdeutschland, mit Gleichgültigkeit verbunden ist.

So wie die AfD die Verbrechen Hitlerdeutschlands relativiert, so ignoriert sie heute auch die Kriegsverbrechen des russischen Nationalismus gegen das ukrainische Volk. Dieser Nationalismus gefährdet zunehmend die Demokratie in Europa. Sie könnte langfristig an der Gleichgültigkeit der Demokraten scheitern.

Der Autor ist Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen.

Meinung

Die Namen in die Welt schreien

24 junge Männer in der Gewalt der Hamas sind wahrscheinlich noch am Leben - sie können und müssen durch ein Abkommen gerettet werden

von Sabine Brandes  28.04.2025

Meinung

Die UN, der Holocaust und die Palästinenser

Bei den Vereinten Nationen wird die Erinnerung an den Holocaust mit der »Palästina-Frage« verbunden. Das ist obszön, findet unser Autor

von Jacques Abramowicz  25.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  24.04.2025

Meinung

Ich habe versagt

Damit sich ein Ereignis wie die Schoa nicht wiederholt, kommt es darauf an, wie wir erinnern. Doch wir sind offenbar dabei, genau das den Falschen zu überlassen

von Sophie Albers Ben Chamo  23.04.2025

Jom Haschoa

Zwei Minuten Stillstand?

Sollte in Deutschland in derselben Art und Weise wie in Israel an die Opfer der Schoa erinnert werden? Ein Gastbeitrag von Felix Klein

von Felix Klein  22.04.2025

Kommentar

Bezalel Smotrich, die Geiseln in Gaza und der moralische Teufelskreis

Zum Gesellschaftsvertrag in Israel gehört es, dass kein Soldat und kein Opfer von Terror zurückgelassen wird. Niemand! Niemals! Koste es, was es wolle. Was es bedeutet, dies nun in Frage zu stellen

von Daniel Neumann  22.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

US-Präsident Trump nimmt den Antisemitismus an der Harvard University zum Anlass für einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Rechtsgleichheit für alle

von Volker Beck  16.04.2025