Ruben Gerczikow

Der antidemokratische Mob

Ruben Gerczikow, Co-Vorsitzender von JSUD, der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands

Es war das perfekte Szenario, um neue Bilder zu produzieren. Die verschwörungsideologische und in Teilen rechtsradikale Szene mobilisierte erneut, um nach den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen im August in Berlin jetzt gegen das neue Infektionsschutzgesetz zu demonstrieren. Dass die teils aggressiven Teilnehmenden bewusst eine Eskalation gesucht hatten, konnte bereits Tage vorher in einschlägigen Telegram-Gruppen ausgemacht werden. Von Gewaltandrohungen gegen Abgeordnete und Mitarbeiter des Bundestags bis zu Übernahmefantasien war alles zu lesen.

Als Vorstandsmitglied der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD), beobachte ich seit Monaten Demonstrationen von Corona-Skeptikern. Bereits am Mittwochmorgen spürte ich die zunehmende Anspannung im großräumig abgesperrten Regierungsviertel. Nach und nach versammelte sich die Verschwörungsideologen rund um das Brandenburger Tor. Zu Beginn waren es vor allem Netzaktivisten, die das Treiben von Querdenkern, Esoterikern, Impfgegner und Familien mit ihren Kindern dokumentierten.

ANTISEMITISMUS Dass rechtsradikales Gedankengut zu einem festen Bestandteil der Demonstrationen geworden ist, lässt sich vor allem am dort virulenten Reichsbürger-Jargon festmachen. Das Anzweifeln der Souveränität Deutschlands, der Wunsch nach einem »Friedensvertrag«, der Glaube an eine weiterstattfindende Besatzung Deutschlands und Elemente des strukturellen Antisemitismus zogen sich wie ein Roter Faden vom Brandenburger Tor bis zum Reichstag.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Im Laufe des Vormittags kamen immer mehr bekannte Neonazis, Reichsbürger und AfD-Politiker (darunter Mitglieder der JAfD). Die mangelnde Distanzierung beziehungsweise die Akzeptanz dieser Kreise bei »Querdenken« hat die »Hygiene-Demos« zu einer Wohlfühloase für antidemokratische – besonders rechtsradikale Kräfte gemacht.

WASSERWERFER Die Polizei scheint aus einigen Fehlern gelernt zu haben. Zwar gelang es zwischenzeitlich rechten YouTubern, mit gefälschten Presseausweisen in den Sicherheitsbereich zu gelangen und diesen Bereich für gezielte Desinformationen nutzen. Während die Polizei im August noch von dem antidemokratischen Mob überrannt wurde, fuhr sie heute relativ zeitig zwei Wasserwerfer auf.

Die sollten im Laufe des Tages mehrere Male eingesetzt werden, was Stück für Stück die Demonstrationsteilnehmenden zurückdrängte. Es war der erste Wasserwerfer Einsatz der Berliner Polizei seit sieben Jahren. Die wütenden Demo-Teilnehmenden reagierten unter anderem mit Flaschenwürfen und dem Zünden von Pyrotechnik.

Am Ende kam es zu zehn verletzten Beamten und über 360 Festnahmen – und die Demo ähnelte eher einer Wasserschlacht anstelle des von rechts beschworenen »Kampfs für das Vaterland«. Eines ist jedoch klar: Bei diesen Demonstrationen geht es schon lange nicht mehr um die Hygienemaßnahmen. Es geht um den Sturz unseres demokratischen Systems.

Meinung

Für das Leben entscheiden

Die Fortführung der Kampfhandlungen in Gaza gefährdet das Leben der Geiseln und den moralischen Fortbestand Israels. Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden

von Sabine Brandes  16.09.2025

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Meinung

Lasst uns nicht allein!

Nach dem Canceln von Lahav Shani durch das Flandern-Festival in Gent befürchtet Maria Ossowski, dass Juden Europa jetzt verlassen wollen

von Maria Ossowski  11.09.2025

Meinung

Gent: Boykottiert die Boykotteure!

Dass die Münchner Philharmoniker in Gent nicht auftreten dürfen, weil sie mit Lahav Shani einen israelischen Dirigenten haben, ist eine Schande - und erfordert eine deutliche Antwort deutscher Kulturschaffender

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Meinung

Wenn Wutausbrüche Diplomatie ersetzen

So verständlich der Frust ist, tut sich Israels Regierung mit ihrer aggressiven Kritik an westlichen Regierungen und ihren Einreiseverboten für europäische Politiker keinen Gefallen

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Meinung

Bitte mehr Sorgfalt, liebe Kollegen!

Weltweit haben Medien die Geschichte verbreitet: In Gaza sei ein hilfesuchendes Kind von Israelis erschossen worden. Es stimmt nur nicht, wie sich nun herausstellt. Von professionellen Journalisten darf man eigentlich mehr erwarten

von Susanne Stephan  08.09.2025

Essay

Das Gerücht über Israel

Die Geschichte des Antisemitismus ist eine Geschichte der Lüge. Was früher dem Juden als Individuum unterstellt wurde, wird nun Israel als Nation vorgeworfen

von Daniel Neumann  06.09.2025 Aktualisiert

Meinung

Einseitig, fehlerhaft, selbstgerecht

Die »International Association of Genocide Scholars« bezichtigt Israel des Völkermords. Die Hamas spricht sie von jeder Verantwortung für die Lage in Gaza frei. Eine Erwiderung

von Menachem Z. Rosensaft  05.09.2025

Meinung

Vuelta-Radrennen: Israelhasser ohne Sportsgeist

Bei der spanischen Radtour ist der israelische Rennstall Ziel von Störaktionen. Nun forderte der Rennleiter das Team auf, nicht mehr anzutreten. Wenigen Fanatiker gelingt es, Israel vom Sport auszuschließen - wie so oft in der Geschichte

von Martin Krauss  04.09.2025