Ronen Steinke

Das Vertrauen wird brüchiger

Ronen Steinke Foto: dpa

Was, bitte, kann noch schlimmer sein als die Erkenntnis, die jetzt bei Charlotte Knob­loch, der Präsidentin der IKG München, einsickern muss: dass sie nämlich jahrelang von einem Polizei-Leibwächter beschützt wurde, der es insgeheim witzig fand, in Chats zu schreiben, als Fahrziel sei ihm Dachau lieber als Auschwitz, weil man da »früher heimkomme«? Sein Chatpartner, so ist jetzt herausgekommen, erwiderte: »Aber nicht der, der den Ofen sauber machen muss.« Witze unter Bodyguards.

Diesem Menschen war Charlotte Knob­lochs Leben anvertraut. Dieser Mensch, der in Chats offenbar mit »HH« für »Heil Hitler« grüßte und über Frau Knobloch auch noch schrieb: »Ich scheiß’ ihr vor die Tür, schön braun, mit Fähnchen«, genoss ihr Vertrauen.

erkenntnis Was also ist noch schlimmer als das? Antwort: Noch schlimmer ist die Erkenntnis, dass dem Rechtsstaat dies letztlich egal ist. In München hat das Verwaltungsgericht gerade mit den Achseln gezuckt. Es hat in Richtung von Frau Knob­loch mitgeteilt: Jo, mei.

Das Verwaltungsgericht hat es abgelehnt, den Personenschützer von Charlotte Knobloch aus dem Dienst zu entfernen.

Das Verwaltungsgericht hat es abgelehnt, den Personenschützer aus dem Dienst zu entfernen. Man hört es, nur, man fasst es nicht: Die Richterin hat es dabei belassen, ihn zu degradieren. Was für ein furchtbares Signal an Juden, die darauf angewiesen sind, der Institution Polizei zu vertrauen. Was für ein verqueres Signal auch an andere Polizisten. So wie in Sachsen-Anhalt, wo gerade 18 Polizeischülerinnen und Polizeischüler aufgeflogen sind. Mit einem Chat voll antisemitischen Drecks.

polizeiführung Die Polizeiführung hat inzwischen verstanden, wie katastrophal das ist. Sie hat in München wie auch in Sachsen-Anhalt rasch gesagt: Wer sich so verhält, der gehört nicht zu uns, der fliegt. Es ist eher die Justiz, die hier und da sehr zaudert.

Das Vertrauen jüdischer Menschen in staatliche Institutionen ist ohnehin schon brüchig. Wegen solcher Ignoranz wird es brüchiger. Das ist vielleicht die schlimmste Erkenntnis aus den aktuellen Fällen.

Der Autor ist Jurist und Redakteur der »Süddeutschen Zeitung«.

Glosse

Die Malheurs der Gaza-Flottille

Die »Global Sumud Flotilla« befindet sich in schwerem Fahrwasser: Nach der Meuterei auf der »Bounty« kommt es zur Kollision mit dem Eisberg und schließlich zur Kernschmelze auf See

von Imanuel Marcus  01.10.2025

Meinung

Trumps Friedensplan: Vision statt Waffen

Der 20-Punkte-Plan des US-Präsidenten zur Beendigung des Gazakriegs ist überraschend vernünftig. Ob das auch für alle beteiligten Akteure gilt, muss sich jedoch erst erweisen

von Sabine Brandes  01.10.2025

Meinung

Wiederholungstäter

In seinem Kommentar zur deutschen Israelpolitik rückt Stephan Detjen im Deutschlandfunk Israel in die Nähe des Dritten Reichs. Eine Replik

von Ralf Balke  30.09.2025

Meinung

Linke und Islamisten stehen Seite an Seite

Am Wochenende fanden in Berlin zwei »propalästinensische« Kundgebungen statt, organisiert von jeweils unterschiedlichen Gruppen. Geeint waren sie jedoch im Hass auf Israel

von Iman Sefati  30.09.2025

Kommentar

Der ESC kann auf israelfeindliche Staaten verzichten

Eine Reihe von Ländern will den Eurovision Song Contest 2026 boykottieren, sollte Israel daran teilnehmen. Gut möglich also, dass Spanien, die Niederlande und Slowenien nächstes Jahr in Wien fehlen werden. Na und?

von Jan Feddersen  26.09.2025

Meinung

Steht auf gegen Judenhass!

Eine Reihe antisemitischer Vorfälle in den vergangenen Tagen hat die jüdische Gemeinschaft in Deutschland erschüttert. So darf es nicht weiter gehen. Ein Appell an die Zivilgesellschaft

von Jan Feldmann  26.09.2025

Meinung

Israel wird zum Juden unter den Fußballern

Der europäische Fußballverband Uefa steht kurz davor, das israelische Team auszuschließen. Dahinter steht eine antisemitisch grundierte Kampagne gegen den jüdischen Staat

von Martin Krauss  26.09.2025

Meinung

Eine Gemeinschaft für jeden

Die Jüdinnen und Juden in Deutschland sind heute diverser denn je. Es liegt an uns allen, jüdische Räume zu schaffen, die dieser Vielfalt gerecht werden

von David Goldstein  25.09.2025

Meinung

Wir müssen das Jüdische in der Kritischen Theorie neu entdecken

Das Judentum hatte einen spürbaren Einfluss auf das Denken von Philosophen wie Max Horkheimer, Walter Benjamin oder Theodor W. Adorno. Dieses Erbe wird heute selten berücksichtigt

von Joel Ben-Joseph  25.09.2025