Ralf Balke

Das laute Schweigen der Experten

Ralf Balke Foto: Marco Limberg

In manchen Zeitungen lässt sie sich noch auf der letzten Seite finden. Die Rede ist von der Rubrik »Was macht eigentlich …?«. Im Mittelpunkt stehen dann mehr oder weniger prominente Zeitgenossen, von denen in jüngster Zeit kaum etwas zu hören war.

Besonders still ist es gerade um eine Gruppe von Vertretern aus Wissenschaft und Kultur geworden, die in den vergangenen Monaten doch sehr laut gewesen war. So hatten Experten aus dem Umfeld des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) wie Wolfgang Benz und Stefanie Schüler-Springorum, aber auch die Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann oder der Publizist Daniel Bax ebenso wie die Unterzeichner der »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit« und der sogenannten »Jerusalemer Erklärung« in unzähligen Artikeln fast schon den Untergang des Abendlandes beschworen.

bds Sie alle sahen im Umgang mit der Israelboykottbewegung BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) hierzulande die Meinungsfreiheit bedroht und befürchteten eine »missbräuchliche Verwendung des Antisemitismusvorwurfs«, sobald der israelbezogene Judenhass zur Sprache kommt.

Besonders still ist es gerade um eine Gruppe von Vertretern aus Wissenschaft und Kultur geworden, die in den vergangenen Monaten doch sehr laut gewesen war.

Dann brach die Hamas im Nahen Osten einen Elftagekrieg vom Zaun, und in Deutschland kam es zu unschönen Szenen, als Demonstranten mit palästinensischen, türkischen oder algerischen Flaggen »Scheißjuden« skandierten, die Bombardierung Tel Avivs forderten und auch Synagogen nicht verschont blieben. Und die Experten, die zuvor noch das Schreckgespenst einer schleichenden Klimaveränderung an die Wand malten, weil die »weltoffene Gesellschaft« in Gefahr sei und man »vielschichtige Solidaritäten« zulassen muss? Kein Wort war von ihnen zu den antisemitischen Exzessen auf deutschen Straßen zu hören.

Ihr Schweigen ist damit mindestens so laut wie das Brüllen der Demonstranten in Gelsenkirchen oder Berlin-Neukölln. Denn nun offenbart sich das große Defizit ihrer Argumentationen. Sie sprechen zwar oft vom Antisemitismus, weigern sich aber beharrlich, Antisemiten beim Namen zu nennen. Man kann nur hoffen, dass sich diese Experten auch in Zukunft weiter in Zurückhaltung üben.

Der Autor ist freier Journalist in Berlin und Tel Aviv.

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Meinung

Alles muss ans Licht

Eine unabhängige Untersuchungskommission über die Terroranschläge des 7. Oktober ist ein Akt von Pikuach Nefesch

von Sabine Brandes  21.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

Meinung

Die Schönwetterfreunde Israels sind zurück! 

Die Wiederaufnahme der Waffenexporte ist richtig und notwendig. Doch das ändert nichts daran, dass die Bundesregierung das Vertrauen Israels und vieler Juden vorerst verloren hat

von Sarah Cohen-Fantl  18.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Meinung

Die Ukrainer brauchen unsere Hilfe

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland nimmt ab. Aus einer jüdischen Perspektive bleibt es jedoch wichtig, auch weiterhin nicht von ihrer Seite abzuweichen

von Rabbinerin Rebecca Blady  16.11.2025

Meinung

Israel: Keine Demokratie ohne Pressefreiheit

Den Armeesender abschalten? Warum auch jüdische Journalisten in der Diaspora gegen den Plan von Verteidigungsminister Katz protestieren sollten

von Ayala Goldmann  14.11.2025

Meinung

Jason Stanley und der eigentliche Skandal

Ohne mit allen Beteiligten gesprochen zu haben und ohne zu wissen, was wirklich passiert ist, schrieb die deutsche Presse das Ende des jüdisch-liberalen Diskurses herbei. Dabei offenbart sich, wie leichtfüßig Stereotype gefüttert werden

von Daniel Neumann  14.11.2025