Nicole Dreyfus

Codewort: Heuchelei

Nicole Dreyfus Foto: Claudia Reinert

Nicole Dreyfus

Codewort: Heuchelei

Nemo fordert den Ausschluss Israels beim ESC in Basel. Damit schadet die Siegerperson des vergangenen Jahres der Schweiz und der eigenen Community

von Nicole Dreyfus  11.05.2025 09:52 Uhr

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Nemo, Siegerperson des Eurovision Song Contest (ESC) 2024, hat sich lange zurückgehalten und sich nicht zum Nahostkonflikt geäußert. Fast schon hatte man den Eindruck, als wolle Nemo klugerweise nicht dem Schwarz-Weiß-Denken radikaler Palästina-Aktivisten verfallen. Denn Nemo ist das Aushängeschild des diesjährigen ESC in Basel. Darüber hinaus hat Nemo weltweit vielen non-binären und pansexuellen Menschen eine Stimme gegeben.

Das Siegerlied »The Code«, worin Nemo davon singt, wie Konventionen aufgebrochen werden sollen, und das sich für die Inklusion von LGBTQIA+-Menschen ausspricht, hat die Zuschauer des ESC berührt und eine wichtige Botschaft ausgesandt: Kein Mensch soll für seine sexuelle Orientierung oder seinen Lebensstil ausgegrenzt werden. Es braucht das Aufbrechen gesellschaftlicher Codes, damit Wandel entstehen kann.

Kurz vor Beginn des diesjährigen ESC in Basel bricht nun Nemo einen weiteren Code, diesmal den »Code of Conduct« der Europäischen Rundfunkunion, der Einheit, Diversität und Inklusion fordert. Just jene schrille Stimme für Diversität und Inklusion fordert nun die Exklusion eines Teilnehmerstaates vom ESC. Israel ist aber kein Land, in dem non-binäre Menschen verfolgt werden, sondern es geht um den sichersten Ort für queere Menschen im Nahen Osten.

Just jene schrille Stimme für Diversität und Inklusion fordert nun die Exklusion eines Teilnehmerstaates vom ESC.

Nemo fordert, dass die israelische Sängerin Yuval Raphael, die das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 überlebt hat, nicht in Basel singen soll, und zwar mit dem absurden Argument, die Werte des ESC würden damit verletzt. Dabei schafft es Nemo mit einigen kurzen Sätzen, nicht nur genau diese Werte zu verletzen, sondern auch die Schweiz, für die Nemo den ESC nach Basel holte, zu desavouieren und die Glaubwürdigkeit des Engagements für LGBTQIA+-Menschen massiv zu untergraben. Seiner eigenen Community erweist Nemo dabei den schlimmstmöglichen Bärendienst.

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Für sich selbst fordert Nemo genderneutrale Sprache ein, die man aus Respekt vor den Gefühlen der Person benutzt, auch wenn dafür sogar Sprachcodes über Bord geworfen werden müssen. Denn was ist schon Sprache? Nemo selbst kennt aber offenbar diesen Respekt für die Gefühle anderer nicht. Diese sind Nemo ebenso gleichgültig wie das Image der Schweiz oder die Glaubwürdigkeit der Community, der sich Nemo zugehörig fühlt.

Unkonventionelles Denken und Kreativität enden oft, wenn es um Israel geht

Nemo interessiert sich weder für Geschichte, noch gibt es die Bereitschaft, differenziert zu argumentieren. Damit ist Nemo nicht allein. Unkonventionelles Denken und Kreativität enden oft, wenn es um Israel geht. Aus Verblendung, Naivität und aus einem nicht nachvollziehbaren Gefühl heraus, damit radikalen Israelhassern zu gefallen, verfangen sich viele Künstlerinnen und Künstler in einem Netz aus Widersprüchen und grenzenloser Heuchelei. Nun hat es auch Nemo erwischt. Dass solche Aussagen niemandem nutzen, sondern vor allem der eigenen Community schaden, wird dabei völlig ausgeblendet.

Was auch immer Nemo geritten hat, sich gerade jetzt zu äußern und implizit die Taten von Terroristen, die Nemos-Gleichen dem Tod weihen, zu legitimieren, wird Nemo so schnell nicht mehr los. Auch wenn die Gesellschaft und die Welt Nemo nach diesem ESC vergessen wird, so müssen wir uns doch die Augen reiben, wie es radikalen Palästina-Aktivisten, die auf Diversität und Inklusion pfeifen, immer wieder gelingt, alle Sphären des öffentlichen Lebens zu okkupieren und unsere Werte auszuhöhlen. Eines muss man ihnen lassen: Sie schaffen es in der Tat, den Code unserer freiheitlichen Welt zu brechen.

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Hoffen wir auf starke Menschen, die sich nicht brechen lassen. Israel zumindest schickt mit Yuval Raphael eine solche starke Frau zum ESC. Das ist immerhin ein Lichtblick.

Die Autorin ist Schweiz-Korrespondentin der Jüdischen Allgemeinen.

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