Joshua Schultheis

Adidas: Gehen Sie in Ihr Archiv, Herr Gulden!

Seid kreativ, liebe Yudaya-jin! Foto: Charlotte Bolwin

Joshua Schultheis

Adidas: Gehen Sie in Ihr Archiv, Herr Gulden!

Die Zusammenarbeit mit einem Antisemiten steht keinem Unternehmen gut zu Gesicht. Schon gar nicht einer Firma, die Hitlers Vernichtungskrieg mit ermöglichte und von diesem profitierte

von Joshua Schultheis  28.09.2023 10:00 Uhr

Seit einem Dreivierteljahr ist der Norweger Bjørn Gulden CEO von Adidas. Ob er seitdem Gelegenheit hatte, das Archiv des Sportartikelherstellers in Herzogenaurach zu besuchen? Dort wäre er auf ein dunkles Kapitel in der Unternehmensgeschichte gestoßen: Die »Gebrüder Dassler Schuhfabrik«, Vorläufer von Adidas, stellte in der Zeit des Nationalsozialismus Spezialschuhe und sogar Panzerfäuste für die Wehrmacht her – auch unter Einsatz von Zwangsarbeitern.

Vor diesem Hintergrund ist es umso befremdlicher, dass Gulden unlängst den Hitler-Verehrer Kanye West in Schutz nahm. »Er hat ein paar Aussagen gemacht, die nicht sehr gut waren«, verharmloste Gulden den Antisemitismus des US-Musikers in einem Manager-Podcast. Kanye West habe das alles nicht so gemeint, glaubt der Adidas-Chef. Eine irritierende Sichtweise angesichts der langen Liste judenfeindlicher Ausfälle Wests.

hakenkreuz Zwei Beispiele: Ende vergangenen Jahres sagte der Rapper, es gebe viel, das er »an Hitler liebe«, und die Nazis hätten »auch gute Dinge getan«. Nur kurz danach postete West auf Twitter, heute »X«, ein Hakenkreuz, das mit einem Davidstern verwoben war. Eine implizite Gleichsetzung von Judentum und Nationalsozialismus.

Warum Gulden eine solche Person verteidigt, ist leicht zu durchschauen: Die Kooperation mit West brachte Adidas jährlich zwei Milliarden Dollar ein.

Warum Gulden eine solche Person verteidigt, ist leicht zu durchschauen: Die Kooperation mit West brachte Adidas jährlich zwei Milliarden Dollar ein. Die Produktreihe »Yeezy« machte zehn Prozent des Gesamtumsatzes des Unternehmens aus. Als Adidas vergangenen Oktober den Vertrag mit West wegen dessen antisemitischer Aussagen kündigte, bedeutete dies herbe Einkommenseinbußen. Wollte Gulden also einmal austesten, ob eine Rückkehr des ehemaligen Goldesels zumindest denkbar ist?

Nach öffentlicher Empörung ruderte der Adidas-Chef nun zurück – und entschuldigte sich für seine Worte. Hoffentlich bleibt es dabei. Die Zusammenarbeit mit einem Antisemiten steht keinem Unternehmen gut zu Gesicht. Schon gar nicht einer Firma, die Hitlers Vernichtungskrieg mit ermöglichte und von diesem profitierte.

Der Autor ist Journalist und lebt in Berlin.

Meinung

Das letzte Wort zum »Völkermord«

Wer für einen Genozid verantwortlich ist, versorgt dessen angebliche Opfer nicht. In Gaza tut Israel, was es tun muss

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Meinung

Vereinte Nationen: Alter Wein in neuen Schläuchen

Kommende Woche soll in New York eine Resolution zum Nahostkonflikt verabschiedet werden. Sie ist hochproblematisch. Deutschland sollte dagegen stimmen

von Jacques Abramowicz  18.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Meinung

Für das Leben entscheiden

Die Fortführung der Kampfhandlungen in Gaza gefährdet das Leben der Geiseln und den moralischen Fortbestand Israels. Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden

von Sabine Brandes  16.09.2025

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Meinung

Lasst uns nicht allein!

Nach dem Canceln von Lahav Shani durch das Flandern-Festival in Gent befürchtet Maria Ossowski, dass Juden Europa jetzt verlassen wollen

von Maria Ossowski  11.09.2025

Meinung

Gent: Boykottiert die Boykotteure!

Dass die Münchner Philharmoniker in Gent nicht auftreten dürfen, weil sie mit Lahav Shani einen israelischen Dirigenten haben, ist eine Schande - und erfordert eine deutliche Antwort deutscher Kulturschaffender

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Meinung

Wenn Wutausbrüche Diplomatie ersetzen

So verständlich der Frust ist, tut sich Israels Regierung mit ihrer aggressiven Kritik an westlichen Regierungen und ihren Einreiseverboten für europäische Politiker keinen Gefallen

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Meinung

Bitte mehr Sorgfalt, liebe Kollegen!

Weltweit haben Medien die Geschichte verbreitet: In Gaza sei ein hilfesuchendes Kind von Israelis erschossen worden. Es stimmt nur nicht, wie sich nun herausstellt. Von professionellen Journalisten darf man eigentlich mehr erwarten

von Susanne Stephan  08.09.2025