Wuligers Woche

Zwei gute Israelis

Shimon Stein, Moshe Zimmermann und die Antisemitismusdebatte: Ein Medien-Dramolett

von Michael Wuliger  16.01.2020 09:30 Uhr

Foto: Getty Images/iStockphoto

Shimon Stein, Moshe Zimmermann und die Antisemitismusdebatte: Ein Medien-Dramolett

von Michael Wuliger  16.01.2020 09:30 Uhr

Berlin-Charlottenburg, Giesebrechtstraße Nähe Ku’damm, Sonntag. Ein Ehepaar sitzt in seiner renovierten Altbauwohnung beim Frühstück. Er liest den »Tagesspiegel«.

Sie: »Steht irgendwas Spannendes drin?«

Er: »Ich lese gerade etwas über Antisemitismus.«

Sie: »Och nee, nicht das schon wieder!«

Er: »Nein, warte mal. Das ist wirklich interessant. Es geht darum, dass der Antisemitismusvorwurf oft gar nicht zutrifft und politisch instrumentalisiert wird. Und das schreibt nicht irgendwer, sondern zwei Israelis: Professor Moshe Zimmermann und Shimon Stein, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland.«

Sie: »Stein? Den kenne ich vom Sehen. Der wohnt hier um die Ecke. Ein älterer Herr mit Bart. Was sagen die beiden denn?«

Er: »Ich zitiere: ›In der Antisemitismusdebatte geht es nicht immer wirklich um die Bekämpfung der Judenfeindschaft, stattdessen wird unter dem Banner ein Stellvertreterkrieg ausgetragen. Dafür wird die sogenannte ›Antisemitismuskeule‹ gezückt, mit der man seinen Gegenspieler auf Umwegen zu treffen gedenkt.‹«

Sie: »Genau, was ich immer sage. Vor allem, wenn es um Israel geht. Man kann ja kaum mehr die Schweinereien von Netanjahu kritisieren, ohne gleich in die antisemitische Ecke gestellt zu werden.«

Er: »Das schreiben die beiden genauso: ›Die volle Wucht des Wunsches, Antisemitismus zu bekämpfen, richtet sich auch gegen Kritiker der israelischen Besatzungspolitik.‹ Und sie sagen auch, wer dahintersteckt: ›Das israelische Ministerium für strategische Angelegenheiten mit seiner Auslandstätigkeit.‹«

Sie: »Das hatte ich mir schon gedacht. Irgendwo habe ich gelesen, dass die Israelis jedes Jahr Hunderte Millionen für politische PR ausgeben. Da gibt es ein hebräisches Wort für: Hagana oder so ähnlich.« (Greift zum Handy, googelt.) »Nein, hier steht es bei Wikipedia: Hasbara. (liest vor) ›Hasbara bedeutet ›Erklärung‹ und ist auch ein Euphemismus für Propaganda.‹«

Er: »Und mit dem Antisemitismusvorwurf kann man natürlich gerade in Deutschland punkten, wegen unserer Geschichte. Wie Zimmermann und Stein ganz richtig schreiben: ›Unangebrachte Anspielungen auf die NS-Vergangenheit‹.«

Sie: »Ich finde das dermaßen mies!«

Er: »Die beiden nennen es ›perfide‹.«

Sie: »Und dem Kampf gegen den wirklichen Antisemitismus erweist man damit einen Bärendienst.«

Er: »Steht hier auch: ›Der Missbrauch dieses Kampfes für fremde Zwecke lenkt vom eigentlichen Ziel ab und wird am Ende zum Bumerang.‹«

Sie: »Toll, dass zwei Israelis das sagen. Wir trauen uns ja kaum mehr, offen zu reden. Seit ich mal Frau Warscher aus der dritten Etage darauf angesprochen habe, warum die Israelis in Gaza Kinder erschießen, grüßt die mich nicht mehr.«

Er: »Stimmt, die Juden hier sind wahnsinnig verbissen, wenn es um Israel geht. Man kann mit ihnen nicht vernünftig sprechen. Wenn die doch nur mehr wie Stein und Zimmermann wären.«

Sie: »Ja. Dann gäbe es wahrscheinlich auch weniger Antisemitismus.«

Fernsehen

Er ist nicht Leonard Cohen und sie ist nicht Marianne

Warum eine Serie über die legendäre Lovestory von Leonard Cohen und Marianne Ihlen scheitern musste

von Maria Ossowski  02.10.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Champagner, Honig oder beides? Wie Rosch Haschana gelingt

von Nicole Dreyfus  02.10.2024

Zahl der Woche

72 Granatäpfel

Fun Facts und Wissenswertes

 02.10.2024

Aufgegabelt

Granatapfel-Gelee

Rezepte und Leckeres

 02.10.2024

Kolumne

Anwesenheit zählt

Eine Agnostikerin in der Dohány-Synagoge in Budapest

von Ayala Goldmann  01.10.2024

Meinung

Cem Özdemir, Diskursganoven und worüber eben doch gesprochen werden sollte

Ein Gastbeitrag von Rebecca Schönenbach

von Rebecca Schönenbach  01.10.2024

Gespräch

»In einer Welt ohne Israel kann ich nicht leben«

Leon Kahane über destruktive Dynamiken, Erlösungsfantasien und Antisemitismus im Kunstbetrieb

von Eugen El  01.10.2024

Literatur

Dana Vowinckel bekommt Buchpreis »Familienroman 2024«

Sie wird für ihren ersten Roman »Gewässer im Ziplock« ausgezeichnet

 30.09.2024

Kino

Liebhaber des Wahnsinns

Regisseur Todd Phillips widmet sich menschlichen Abgründen. Das zeigt er auch in der Fortsetzung von »Joker«

von Jens Balkenborg  27.09.2024