Medizin

Zelle tot, Patient lebt

Bald nur noch ein Objekt fürs Medizinmuseum? Modell eines HI-Virus Foto: imago

Medizin

Zelle tot, Patient lebt

Israelische Forscher haben ein revolutionäres Mittel gegen AIDS entdeckt: Zum ersten Mal ist Heilung in Sicht

von Gil Yaron  14.09.2010 14:14 Uhr

AIDS gilt bislang als unheilbar. Die bekannten Arzneien können zwar die Anzahl der Viren im Blut, die für die tödlich verlaufende Immunschwächekrankheit verantwortlich sind, erheblich reduzieren. Der HI-Virus (HIV) schlummert aber weiter im Körper, nur um eines Tages mit tödlicher Gewalt auszubrechen. Ein israelisches Team an der Hebräischen Universität Jerusalem unter der Leitung von Abraham Loyter berichtete in der Fachzeitschrift »AIDS Research and Therapy« über einen neuen Forschungsansatz, der den weltweit mehr als 33 Millionen Menschen, die mit dem AIDS-Erreger HIV infiziert sind, neue Hoffnung spendet.

Loyters Methode verspricht erstmals komplette Genesung. In Experimenten mit Zellkulturen gelang es ihm, jede Spur des Virus verschwinden zu lassen. Nun muss sich das Mittel in Tier- und Menschenversuchen bewähren.

Wenn HIV den menschlichen Körper infiziert, dringt es in Zellen ein und »zwingt« die zelleigenen Proteinfabriken zur Herstellung weiterer Viren. »HIV baut meist etwa zwei Kopien seines Genmaterials in die Chromosomen ein«, sagte Abraham Loyter der Jüdischen Allgemeinen. Die Chromosomen fungieren als »Bauplan« körpereigener Eiweiße oder Proteine, den Bausteinen jeder Zelle – und auch des Virus. HIV befällt hauptsächlich »CD4-Zellen« oder »Helferzellen«, die dem Immunsystem im Falle eines Infekts durch die Ausschüttung von Signalmolekülen helfen, die eigene Abwehr zu rekrutieren. Die Vernichtung solcher Helferzellen führt zur Immunschwäche, die AIDS genannt wird.

zell-selbstmord Bisherige Medikamente wirken, indem sie HIV bei der Vervielfältigung stören. Das Team um Loyter verfolgte hingegen einen anderen Ansatz: Die Forscher wollten, dass HIV ungehindert sein Genom in die Zelle einbaut, damit die dergestalt überlasteten Zellen ein eingebautes »Selbstmordprogramm« aktivieren. Dieser als Apoptosis bekannte Prozess läuft im Körper häufig ab, um überflüssige oder fehlerhafte Zellen zu beseitigen. Die infizierten Zellen vernichten sich so praktisch selbst. Um dieses Ziel zu erreichen, griffen die Forscher das Virus-Protein »rev« an. »Rev« reguliert das Enzym »IN« (Integrase), das Teile des HIV-Genoms in die Chromosomen einbaut. Loyter stellte kurze Gruppen von Aminosäuren – Peptide – her, die mit Abschnitten von IN identisch sind und das Regulationsprotein rev binden. Ein rev, das von einem Peptid gebunden wird, kann die Aktivität der Integrase nicht mehr regulieren. Nun baut IN unbehindert unendlich viele Kopien von HIV im Genom der Zelle ein. Kurzfristig produziert die Zelle zwar mehr HIV, langfristig begeht sie aber Selbstmord.

optimismus Im Labor funktionierte der Cocktail aus drei Peptiden, die von den Zellen aufgenommen werden, besser als erwartet: »Nach vier Wochen konnten wir selbst mit sensibelsten Methoden keinen Virus mehr nachweisen«, sagt Loyter – ein Ergebnis, dass mit den heute im Einsatz befindlichen Medikamenten undenkbar ist. Die universitätseigene Firma Yissum sucht jetzt nach einem Partner, um das israelische Patent auf den Markt zu bringen. Der Weg zur Klinik ist zwar noch weit, sagt Loyter. Erste Tierversuche gäben jedoch Anlass zum Optimismus.

Kino

Düstere Dinosaurier, frisches Starfutter

Neuer »Jurassic World«-Film mit Scarlett Johansson läuft in Deutschland an

von Ronny Thorau  01.07.2025

Berlin

Ausstellung »Die Nazis waren ja nicht einfach weg« startet

Die Aufarbeitung der NS-Zeit hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Wendungen genommen. Eine neue Ausstellung in Berlin schaut mit dem Blick junger Menschen darauf zurück

von Lukas Philippi  01.07.2025

München

Fritz-Neuland-Gedächtnispreis gegen Antisemitismus erstmals verliehen

Als Anwalt stand Fritz Neuland in der NS-Zeit anderen Juden bei. In München wird ein nach ihm benannter Preis erstmals verliehen: an Polizisten und Juristen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen

von Barbara Just  30.06.2025

Forschung

Digitales Archiv zu jüdischen Autoren in der NS-Zeit

Das Portal umfasst den Angaben zufolge derzeit rund eine Million gespeicherte Informationen

 30.06.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  30.06.2025

Berlin

Mehr Bundesmittel für Jüdisches Museum

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer betonte, sichtbares jüdisches Leben gehöre zur Mitte der Gesellschaft

 30.06.2025

Großbritannien

Nach Anti-Israel-Eklat bei Glastonbury: BBC gibt Fehler zu

Ein Musiker wünscht während einer BBC-Übertragung dem israelischen Militär von der Festival-Bühne aus den Tod. Die Sendung läuft weiter. Erst auf wachsenden Druck hin entschuldigt sich die BBC

 30.06.2025

Glastonbury-Festival

Anti-Israel-Parolen: Britischer Premier fordert Erklärung

Ein Musiker beim Glastonbury-Festival in England fordert die Menge dazu auf, Israels Militär den Tod zu wünschen. Der Vorfall zieht weite Kreise

 30.06.2025

Essay

Die nützlichen Idioten der Hamas

Maxim Biller und der Eklat um seinen gelöschten Text bei der »ZEIT«: Ein Gast-Kommentar von »WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt

von Ulf Poschardt  29.06.2025