Redezeit

»Wodka ist immer koscher«

»Ich bin wirklich reich an Lebenserfahrung«: Küf Kaufmann Foto: Aufbau Verlag

Redezeit

»Wodka ist immer koscher«

Küf Kaufmann über die russische Seele, Klischees und das Glück des Lebens

von Philipp Peyman Engel  10.06.2011 14:36 Uhr

Herr Kaufmann, lassen Sie uns über Wodka und das Leben reden. Manch einer trinkt, um zu vergessen, andere, um sich zu erinnern. Zu welcher Gruppe gehören Sie?
Weder noch. Ich trinke Wodka, um koscheres Essen besser zu verdauen.

Gab es Momente in Ihrem Leben, in denen Sie dachten, es ohne Wodka nicht länger ertragen zu können?
Sicher. Aber genau in diesen Momenten muss man nüchtern bleiben.

Ist Wodka untrennbar mit der russischen Seele verknüpft oder ist das ein Klischee?
Natürlich ist das ein Klischee – ein ganz und gar falsches obendrein. Wodka ist nicht mit der russischen Seele verbunden, sondern mit dem Leib!

Worauf kommt es beim Trinken von Wodka an? Wie trinkt man ihn am besten?
Mein Buch »Wodka ist immer koscher« ist keine Anweisung zum Konsumieren dieses Schnapses, es ist eine Sammlung von Lebensgeschichten, die manchmal lustig und manchmal traurig sind. Aber ja, ich gebe zu, dass alle erzählten Geschichten verbunden sind mit magischen Kräften des »Zaubergetränks« Wodka. Überhaupt frage ich mich, ob Leben und Wodka trennbar sind. Am besten wird man das verstehen, wenn man mein Buch von Anfang bis Ende liest.

Der Grad zwischen Überschwang und Depression ist beim Trinken von Wodka sehr schmal. Wann sollte man aufhören zu sagen: »Schenk ein!!!«, wie es in Ihrem Buch so oft heißt?
Sobald man keine Kraft mehr hat, dies zu sagen (lacht).

Ist Wodka tatsächlich immer koscher, wie Sie schreiben?
Na ja, ein Rabbiner sagt so, der andere so. Aber wenn es um Wodka geht, sind sich alle Gelehrten einig: Der ist immer koscher! Dies bestätigt auch der Ratgeber »Rabbi, ist das koscher?«, der von der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland herausgegeben wurde.

Wenn man Ihr Buch liest, gewinnt man den Eindruck, dass Ihr Leben außerordentlich lustig war. Trifft das zu?
Das hängt vom Blickwinkel ab. Und wenn man mit jüdischen Augen auf das eigene Leben schaut, lacht das eine, und das andere weint. Ich habe Glück gehabt, da viele gute Menschen mein Leben bereichert haben. Ich bin wirklich ein reicher Mann, was Lebenserfahrung betrifft.

Viele sogenannte Kontingentflüchtlinge vermissen ihre Heimat sehr, wissen aber, dass es kein Zurück dorthin geben kann. Kennen Sie dieses Gefühl?
Erstens: Es gibt doch die Möglichkeit zurückzugehen, für diejenigen, die es wollen. Ich persönlich indes kenne niemanden, der das möchte. Zweitens: Ich vermisse gar nichts, was in der Vergangenheit geblieben ist. Sie ist immer bei mir, diesen Koffer kann man nie irgendwo vergessen. Drittens: Lassen Sie uns einen trinken, auf alles Gute, was uns in der Zukunft erwartet.
Lechaim!


Küf Kaufmann, geboren 1947 im russischen Marx, arbeitete 20 Jahre lang als Regisseur am staatlichen Revue-Theater »Leningrader Musik-Hall«. Seit 1990 lebt er in Deutschland, wo er in zahlreichen TV-Produktionen mitwirkte, zuletzt als Schauspieler in Dominik Grafs grandiosem Russenmafia-Mehrteiler »Im Angesicht des Verbrechens«. Er führte Regie an Kleinkunstbühnen und spielte bundesweit Kabarett mit Bernd-Lutz Lange und Griseldis Wenner. Darüber hinaus fungiert Küf Kaufmann als Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig und Präsidiumsmitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland. Sein Buch »Wodka ist immer koscher« erschien im Aufbau Verlag und kostet 16,95 €.

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  24.11.2025

Nachruf

Das unvergessliche Gesicht des Udo Kier

Er ritt im Weltall auf einem T-Rex, spielte für Warhol Dracula und prägte mit einem einzigen Blick ganze Filme. Udo Kier, Meister der Nebenrolle und Arthouse-Legende, ist tot. In seinem letzten Film, dem Thriller »The Secret Agent«, verkörpert er einen deutschen Juden

von Christina Tscharnke, Lisa Forster  24.11.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Sderot

Zweitägiges iranisches Filmfestival beginnt in Israel

Trotz politischer Spannungen will das Event einen Dialog zwischen Israelis und Iranern anstoßen

von Sara Lemel  24.11.2025

Genetik

Liegt es in der Familie?

Eierstockkrebs ist schwer zu erkennen. Warum ein Blick auf den Stammbaum nützen kann

von Nicole Dreyfus  23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Ayala Goldmann  23.11.2025

Aufgegabelt

Linsenpfannkuchen von König David

Rezept der Woche

von Jalil Dabit, Oz Ben David  22.11.2025