NS-Raubkunst

Welfenschatz: Verkauf von 1935 wird nochmals geprüft

Das Büstenreliquiar des Hl. Blasius aus Braunschweig ist Teil des Welfenschatzes Foto: IMAGO/Berlinfoto

Neue Wendung im Streit um den sogenannten Welfenschatz: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), in deren Besitz die wertvolle Sammlung von 42 mittelalterlichen Kunstgegenständen ist, hat nun der Anrufung der »Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz«, zugestimmt.

Seit 2008 gibt es Forderungen von den Nachfahren jüdischer Kunsthändler, den Welfenschatz gemäß der Washingtoner Prinzipien von 1998 zum Umgang mit NS-Raubkunst an die Erben der jüdischen Kunsthändler zurückzugeben, welche ihn 1935 für 7,5 Millionen Reichsmark an den preußischen Staat verkauft hatten beziehungsweise verkaufen mussten. Der heutige Wert der Sammlung wird auf mehrere Hundert Millionen Euro geschätzt.

Ein Verfahren vor der durch die mittlerweile verstorbene frühere Bundesverfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach geleiteten Kommission, in der damals noch keine jüdischen Vertreter saßen, führte 2014 zu der Empfehlung, dass es sich beim Welfenschatz nicht um verfolgungsbedingt entzogene Kunstwerke handele und eine Rückgabe daher nicht empfohlen werde.

Später tauchten aber neue Dokumente auf, die den Anwälten der Erben zufolge beweisen, dass diese Einschätzung nicht aufrechtzuerhalten ist. Ein Verfahren vor US-Gerichten, das bis zum Supreme Court ging, hatte jedoch keinen Erfolg. Der Oberste Gerichtshof erklärte sich für nicht zuständig in dem Fall.

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Im Frühjahr 2024 wandten sich mehrere Erben-Vertreter aber erneut an die Beratende Kommission. Der amtierende Vorsitzende des Gremiums, Hans-Jürgen Papier (auch er ein ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts), erklärte vor einigen Wochen, man werde nun prüfen, ob auf dieser Grundlage ein erneutes Verfahren möglich sei.

Voraussetzung für die Einschaltung der Kommission ist jedoch die Anrufung durch beide Streitparteien. Nun gab die SPK gegen eine Neubefassung der Expertenrunde auf.

Positive Reaktion der Erben-Seite

Von einem Teil der Erben der jüdischen Kunsthändler wurde dies begrüßt. Ihr Vertreter, der Marburger Rechtsanwalt Markus Stötzel, erklärte am Montag, so sei nun »endlich eine sachgerechte Befassung« mit der Thematik möglich. Erst durch »massiven Druck der Medien und Androhung weiterer rechtlicher Schritte« sei dies gelungen, so Stötzel.

Man sei zuversichtlich, dass bei einer Neubefassung durch die Beratende Kommission der Charakter des Zwangsverkaufs als solcher anerkannt werde. »Juden hatten 1935 in Deutschland praktisch keinen Handlungsspielraum mehr. Neu aufgetauchte Beweise verstärken diese Erkenntnis nochmals«, erklärte Stötzel.

In Berlin erklärte Kulturstaatsministerin Claudia Roth zur Anrufung der Kommission: »Ich begrüße das sehr. Aus der Geschichte der Verfolgung vor allem jüdischer Menschen im und durch das nationalsozialistische Deutschland ergibt sich für uns bis heute eine besondere Verantwortung, Rückgaben voranzubringen, wenn es sich um NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter handelt. Deutschland hat sich hierzu durch die Washingtoner Prinzipen bekannt. Diesem Bekenntnis werden wir auch durch die heutige Entscheidung gerecht.«

Sie sei sich sicher, so die Grünen-Politikerin, »dass die gemeinsam mit den Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden sowie der Jewish Claims Conference und dem Zentralrat der Juden in Deutschland vereinbarte Schiedsgerichtsbarkeit hier weitere Fortschritte möglich machen wird.«

Bei der SPK gab man sich ebenfalls zuversichtlich, zu einer fairen Lösung zu kommen. Man habe sich »entschiedenen, einen eigenen Antrag bei der Beratenden Kommission zu stellen, damit das Verfahren auch weitere mögliche Ansprüche von bekannten und unbekannten Erben von Welfenschatz-Konsorten berücksichtigt und dafür eine Lösung findet.«

Eine neuerliche Empfehlung der Beratenden Kommission solle damit für alle potenziell Beteiligten Bestand haben. »Ohne dieselbe Verbindlichkeit, wie sie bei einem Verfahren vor der demnächst eingerichteten Schiedsgerichtsbarkeit der Fall wäre, würde eine Empfehlung zu keiner echten Befriedung des Falles führen und möglicherweise weitere Verfahren nach sich ziehen«, so die Stiftung in einer Erklärung.

Die ursprüngliche Zusammensetzung des Konsortiums, das den Welfenschatz 1935 verkauft hatte, sei aber »trotz umfangreicher Recherchen der SPK nicht vollständig bekannt«, heißt es weiter. »Zur Geltendmachung einer gerechten und fairen Lösung nach den Washingtoner Prinzipien sind nach der Orientierungshilfe (der sog. ›Handreichung‹) allerdings nur alle Rechtsnachfolger des Geschädigten gemeinschaftlich berechtigt. Eine solche gemeinschaftliche Geltendmachung liegt derzeit nicht vor.« mth

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