Berlinale

Von »Schindlers Liste« zu »Hamishlahat«

Der israelische Darsteller Ezra Dagan spielt einen Zeitzeugen – in dem neuen Film geht es um Gedenkfahrten israelischer Jugendlicher nach Polen

von Ayala Goldmann  20.02.2023 18:07 Uhr

Der israelische Schauspieler Ezra Dagan (75) verkörperte in »Schindlers Liste« von Steven Spielberg einen Rabbiner. Foto: Ayala Goldmann

Der israelische Darsteller Ezra Dagan spielt einen Zeitzeugen – in dem neuen Film geht es um Gedenkfahrten israelischer Jugendlicher nach Polen

von Ayala Goldmann  20.02.2023 18:07 Uhr

Der einzige israelische Film bei den 73. Internationalen Filmfestspielen Berlin, HaMishlahat (Delegation) von Asaf Saban, hat am Sonntagnachmittag im Zoo-Palast Weltpremiere gefeiert.

Der Spielfilm, eine Mischung aus Roadmovie und Coming of Age, der in der Jugendsektion »Generation« gezeigt wurde, begleitet israelische Jugendliche auf ihrer Reise zu ehemaligen deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern in Polen.

IDENTITÄT Diese Gedenkreisen sollen das Bewusstsein israelischer Schülerinnen und Schüler für die Schoa und ihre jüdische Identität stärken. Doch die Fahrten sorgen seit Längerem für Streit zwischen Israel und Polen. 

Warschau wirft Israel vor, die Reiseteilnehmer sähen Polen durch »das Prisma der Konzentrationslager« – so der Sprecher des polnischen Außenministeriums, Lukasz Jasina, im Sommer 2022. Israels Bildungsministerium hatte daraufhin für den Herbst 2022 geplante Jugendfahrten nach Polen abgesagt und dies damit begründet, dass man sich mit der polnischen Regierung nicht über Bildungsinhalte und Sicherheitsvorkehrungen einigen konnte.

In HaMishlahat setzt sich Asaf Saban, der als 17-Jähriger selbst an einer Reise in ehemalige deutsche Konzentrationslager in Polen teilnahm, kritisch mit seinen eigenen Erfahrungen auseinander. Durch die Augen von drei Schülern, Omer Frischman alias »Frisch« (Yoav Bavly), Ido (Leib Lev Levin) und Nitzan (Neomi Harari) zeigt er, unter welchen Druck sich manche jungen Israelis bei diesen Fahrten setzen, die »richtigen« Gefühle und »wirkliche« Betroffenheit zu empfinden – während viele sich von der Wucht der Eindrücke überfordert fühlen.

Das wird vor allem an Nitzan deutlich, die heimlich den Schuh eines Schoa-Opfers aus einer Gedenkstätte entwendet und anschließend nicht weiß, wie sie mit ihrem Diebstahl umgehen soll (den Schuh wegwerfen? Oder ihn in einer anderen Gedenkstätte wieder ablegen?), aber auch an ihren Klassenkameraden Ido und Frisch, die ihr Liebesleben mindestens genauso beschäftigt wie die Vergangenheit.

CAMERI-THEATER In dem Film, der am Sonntag mit viel Beifall vom Publikum aufgenommen wurde, tritt auch der israelische Schauspieler Ezra Dagan (75) auf – als Großvater von Frisch, der die jungen Leute als Zeitzeuge auf ihrer Reise begleitet. Dagan, der in Israel vor allem als Schauspieler des Cameri-Theaters in Tel Aviv bekannt wurde und im Spielfilm Schindlers Liste (1993) von Steven Spielberg die Rolle des Rabbiners Menasha Lewartow spielte, verlor zahlreiche Familienangehörige während der Schoa, seine Schwiegermutter überlebte als 17-Jähriger die Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen.

»Von meinen vier Söhnen war keiner mit einer Delegation nach Polen. Ihre Großmutter hat ihnen alles über ihre Erfahrungen während der Schoa erzählt«, sagte Dagan sagte der Jüdischen Allgemeinen nach der Filmvorführung. Er persönlich halte es für sinnvoller, wenn Menschen nicht schon mit 18 Jahren, sondern lieber in späterem Alter diese Reisen unternähmen, wenn sie reif dafür seien, so der Schauspieler.  

Aufsehen bei den Zuschauern erregte eine kurze Ansprache des Produzenten von HaMishlahat, Yoam Roeh, kurz nach der Filmvorführung. Darin nahm er Bezug auf die Auseinandersetzungen um die geplante Justizreform in Israel, die an diesem Montag in der Knesset in Jerusalem behandelt werden sollte.

»Wir sind heute hier, um unseren Film zu feiern. Es ist auch eine Feier des israelischen Kinos (...) Vielleicht haben Sie gerade den letzten israelischen Film gesehen, der das Israel repräsentiert, das wir kennen«, so Roeh.

Mitarbeiter der israelischen Botschaft in Berlin forderte er auf, gegen die Justizreform  ihre Stimme zu erheben, »weil es morgen zu spät sein könnte, um unser Land zu retten«.

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