Fernsehen

Von Hitlers Magier zu Adenauers Unterhaltungschef

Der Zauberkünstler und Illusionist Kalanag im April 1955 in München in einem Wagen voller Frauen Foto: picture-alliance / dpa

Er war Adolf Hitlers Magier und er war Konrad Adenauers Unterhaltungschef: Helmut Schreiber (1903-1963) gilt als einer der schillerndsten Magier in Deutschlands Geschichte. Ein Mensch, für den Täuschung, Tarnung und Trickserei stets Karriere- und Lebensprinzip war. Unter dem Künstlernamen Kalanag faszinierte der Zauberkünstler und Filmproduzent sein Publikum.

Die Dokumentation »Verzaubert und verdrängt - Die Karriere des Magiers Kalanag« - auf 3sat am Donnerstag um 22.55 Uhr zu sehen - stellt den Mann vor, der sich von der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus bis in die junge Bundesrepublik drei Systemen nahtlos anpasste und sich immer wieder etablierte.

Vorstellungen auf dem Obersalzberg Als »Hofmagier der Nazis« tritt Schreiber mehrfach vor Adolf Hitler auf dem Obersalzberg auf und zaubert für Goebbels‹ Tischgesellschaften. Gleichzeitig verantwortet er hauptberuflich nationalsozialistische Propaganda- und Durchhaltefilme.

Schreiber hat zwar keine politische Überzeugung, ist aber fähig, sich anzupassen. Diese Eigenschaft bleibt auch dann dominant, als Deutschland von den Alliierten besetzt wird. In den Entnazifizierungsverhandlungen lässt er Beweise verschwinden und stellt sich als Systemgegner dar. Als die Amerikaner ihm dennoch nach 1945 untersagen, weiter im Filmgeschäft zu arbeiten, macht er kurzerhand das Hobby zum Beruf, startet als Kalanag eine internationale Karriere als größter Magier der Nachkriegszeit.

In einer Zeit, in der noch nicht in jedem Wohnzimmer ein Fernseher steht, ist Schreiber ein Star. Mit seiner Gattin Gloria und einer Truppe von 70 Künstlern, Musikern und Tänzerinnen bereist er die Welt. In perfekt inszenierten Revuen mit exotischen Kulissen lässt er in aufwendigen Großillusionen Autos verschwinden, Mädchen dreiteilen und endlos Bier, Wein und Champagner aus gläsernen Karaffen fließen.

Erstaunliche Wendung Als Ende der 1950er-Jahre die Regierung Adenauer die »Freies Fernsehen GmbH« als regierungsnahes, privatrechtliches Gegengewicht zur ARD gründet, wird Helmut Schreiber für den Posten des künftigen Unterhaltungsdirektors verpflichtet. »Hätte das Bundesverfassungsgericht nicht Konrad Adenauers Projekt gestoppt, wäre es eine letzte erstaunliche Wendung im Leben des Helmut Schreiber gewesen«, wie 3sat es in einer Mitteilung zusammenfasst.

Die Doku, in der Historiker und Weggefährten Helmut Schreibers zu Wort kommen und in der zuvor nie veröffentlichtes Archivmaterial zu sehen ist, zeichnet die Karriere eines Großmeisters der Illusion nach, der es verstand, immer zu den Gewinnern zu gehören.

Netflix-Serie

Balsam für Dating-Geplagte? Serienhit mit verliebtem Rabbiner

»Nobody Wants This« sorgt derzeit für besonderen Gesprächsstoff

von Gregor Tholl  23.10.2024

Herta Müller

»Das Wort ›Märtyrer‹ verachtet das Leben schlechthin«

Die Literaturnobelpreisträgerin wurde mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Herta Müller  23.10.2024

Essay

Die gestohlene Zeit

Der Krieg zerstört nicht nur Leben, sondern auch die Möglichkeit, die Zukunft zu planen, schreibt der Autor Benjamin Balint aus Jerusalem anlässlich des Feiertags Simchat Tora

von Benjamin Balint  23.10.2024

Dokumentation

»Eine Welt ohne Herta Müllers kompromisslose Literatur ist unvorstellbar«

Herta Müller ist mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet worden. Lesen Sie hier die Laudatio von Josef Joffe

von Josef Joffe  23.10.2024

Literatur

Leichtfüßiges von der Insel

Francesca Segals Tierärztin auf »Tuga«

von Frank Keil  21.10.2024

Berlin

Jüdisches Museum zeigt Oppenheimers »Weintraubs Syncopators«

Es ist ein Gemälde der Musiker der in der Weimarer Republik berühmten Jazzband gleichen Namens

 21.10.2024

Europa-Tournee

Lenny Kravitz gibt fünf Konzerte in Deutschland

Der Vorverkauf beginnt am Mittwoch, den 22. Oktober

 21.10.2024

Geistesgeschichte

Entwurzelte Denker

Steven Aschheim zeigt, wie jüdische Intellektuelle den Herausforderungen des 20. Jahrhunderts begegneten

von Jakob Hessing  21.10.2024

Heideroman

Wie ein Märchen von Wölfen, Hexe und Großmutter

Markus Thielemann erzählt von den Sorgen eines Schäfers

von Tobias Kühn  21.10.2024