Kulturkolumne

Vom Nova-Festival zum Bondi Beach

Foto: Getty Images

Die Bilder brennen sich ein. Seit dem 7. Oktober 2023 sind wir es fast gewohnt, auf unseren kleinen Bildschirmen in Echtzeit brutalste Gewalt zu verfolgen. Auf Instagram und TikTok gehen Videos viral, von Menschen, die um ihr Leben rennen, durch den Kugelhagel, verzweifelt die Polizei oder ihre Eltern anrufen, von Menschen, die auf dem Boden verbluten, Menschen, die vor den Augen ihrer Angehörigen verschleppt oder umgebracht werden. Die Kanäle von Nachrichtensendern greifen sie auf, sobald sie verifiziert sind, dann werden sie weiter geteilt.

Ich erinnere mich noch genau an die ersten Videos, die ich an diesem Morgen 2023 gesehen habe, und ich werde sie auch nicht mehr vergessen. Massaker in Echtzeit, jedes Mal aufs Neue, worauf auch die terroristische Strategie setzt, so viele Menschen wie möglich auf einmal zu traumatisieren, ihre Taten so breitflächig wie möglich sichtbar zu machen, ob seinerzeit im Fernsehen, im Livestream, mit GoPros auf Telegram oder über die Social-Media-Kanäle ihrer Opfer. Israelische Medien kontern, indem sie nicht nur bei größtem Leid, sondern auch bei größter Freude die Kamera draufhalten.

Israelische Medien kontern, indem sie nicht nur bei größtem Leid, sondern auch bei größter Freude die Kamera draufhalten.

Ich frage mich, was diese Unmittelbarkeit mit uns macht. Ich teile auf meinem Instagram-Kanal in der Regel keine ungefilterten Gewaltszenen, auch aus dem Grund, dass sich nicht feststellen lässt, ob die Opfer damit einverstanden sind oder es gewesen wären. In solchen Momenten ist es gut, wenn diese Szenen bereits einen Filter oder Verarbeitungsmechanismus durchlaufen haben.

Distanz zum ursprünglichen Bild

Häufig teile ich dann einen Post von israelischen Künstlern oder Illustratorinnen: die Bilder von Zoya Cherkassky-Nnadi, Keren Shpilsher oder von Zeev »Shoshke« Engelmayer oder die Illustrationen von Dana Barlev. Sie übersetzen die ungreifbaren Szenen in einen Gefühlszustand, sie schaffen Distanz zum ursprünglichen Bild und dennoch Nähe zu den Betroffenen, sie kreierten Motive zu Momenten, in denen es noch keine Worte gab, und wurden damit in den vergangenen Jahren zu einer Sprache, von der auch ich gern Gebrauch machte.

Die in Kyjiw geborene Künstlerin Zoya Cherkassky-Nnadi zeichnete unmittelbar nach dem 7. Oktober 2023 die Massaker nach und ließ transgenerationale Erinnerungen in die Bilder mit einfließen. Die Illustratorin Dana Barlev schafft über Bezüge zu großen Werken der Kunstgeschichte einen Referenzpunkt. Eine ihrer Illustrationen erinnert an die tanzenden Frauen von Henri Matisse, in der die Tanzenden allerdings auf dem Boden liegen. In den Bildern, die Keren Shpilsher unter anderem von den Eltern der Geiseln malte, nutzte die Künstlerin Referenzen zu den Selbstbildnissen von Frida Kahlo.

Und so habe ich am vergangenen Sonntag auch wieder eine neue kinderartige Filzstiftzeichnung von Shoshke Engelmayer gepostet. Darin sind zwei Szenen von Menschen zu sehen, die in Gruppen rennen, wie immer bunt und verspielt, sodass man gar nicht begreift, worum es geht, wenn der Kontext nicht bekannt ist. Rechts oben steht in einfacher hebräischer Druckschrift »Nova«. Auf dem Motiv darunter »Bondi Beach«.

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