Sprachgeschichte(n)

Viel Bohei um Bohei

Großer Bohei bei Germany’s Next Topmodel Foto: dpa

Viel Lärm um Nichts lautet die bei uns zum geflügelten Wort avancierte Titelübersetzung von Shakespeares Komödie Much Ado about Nothing von 1598. Für solchen Lärm findet sich seit den 80er-Jahren in der überregionalen Presse oft der endbetonte Begriff »Bohei« oder »Buhei«, etwa bei Spiegel Online: »Was gab es für einen Bohei um den Börsengang des Kurznachrichtendienstes Twitter«.

Schon lange vorher trat das Wort mundartlich und sondersprachlich auf. Bereits im Versuch eines bremisch-niedersächsischen Wörterbuchs (1767) steht »een groot Behoi maken«. Vielerorts sprossen die Sprüche – in Ostfriesland »he maakt’n groot Puhee um nicks«, in Moers »en grot Behei en necks en de Täsch«, in Köln »dä mäht vil Buhei öm nix«, in Aachen »voel Behei oem nues maache«. Das Rheinische Wörterbuch nennt »Buheikopf« (Großsprecher), »Buheimaul« (Prahler), das Verb »buheien« und das Adjektiv »buheizig« (kleinlich). In Wien und der Steiermark heißt es »Bahöö« beziehungsweise »Bahöll/Pahöll«. Der Generalstäbler in Karl Kraus’ Die letzten Tage der Menschheit etwa ruft: »Gehts machts doch nicht so an Pahöll!«

scheuchruf
Aber woher kommt das Wort? Für deutsche Regionalwörterbücher, die Duden-Redaktion, Küppers Wörterbuch der deutschen Umgangssprache und die Gesellschaft für deutsche Sprache (im »Sprachdienst« 48/2004) ist »Buhei« eine Zusammenrückung der Scheuchrufe »bu(h)« und »hei«, die später substantiviert worden sei. Die Jenaer Indogermanistin Sabine Ziegler deutete das Wort jüngst als Lautwiedergabe des schottisch-gälischen Kampfrufs »buaidh« (= Sieg), der aus Spott ins Umgangsenglisch übernommen und in der britischen Besatzungszone nach 1945 verstärkt gebraucht worden sei.

Übersehen werden bei diesen Herleitungen allerdings Hinweise auf jiddische beziehungsweise hebräische Ursprünge. Schon 1898 schrieb V. Hintner in der Zeitschrift für österreichische Volkskunde, »Bahöll« sei »natürlich nichts anderes als das hebräische behäla (Schrecken, Bestürzung, Lärm): Lev. 26, 16; Ps. 78, 33; Jer. 15, 8.« Das Siebenbürgisch-Sächsische Wörterbuch (1924) nennt unter »Buhé« eine Handschrift von Damasus Dürr (1537–1585) mit einem Bericht von der Zerstörung Jerusalems: »Das got trefflichen grossen bahelen an dem volk hat lassen geschehen und gestrafft mit hunger.«

losung Werner Weinberg (Die Reste des Jüdischdeutschen, 1973) deutet auf die Losung »Spar dir die Hei und die Wow« im Sinne von »Rede nichts Unnützes, Überflüssiges«. Der Spruch spielt auf die hebräischen Lettern He(j) und Wav an, die als sogenannte matres lectionis, also Lesehilfen, für die Vokale dienen, ohne selbst Informationswert zu besitzen.

Heidi Stern verzeichnet im Wörterbuch zum jiddischen Lehnwortschatz in den deutschen Dialekten (2000) unter »Bahel« das ostjiddische »behole« für »Durcheinander, Bestürzung« und das biblisch-hebräische »behala« für »Entsetzen«. Und Peter Honnen verweist in Alles Kokolores? (2009) auf das französische »brouhaha« für »Lärm, Getöse, Stimmengewirr«, die verballhornte hebräische Wendung »baruch haba« (Gesegnet sei, der da kommt), die als Teufel verkleidete Geistliche in französischen Mysterienspielen brüllten. »Auf dem Wege ins Niederländische wurde aus ›brouhaha‹ schließlich ›poehaai‹ oder ›boehaa‹, die Urform unseres ›Buhei‹.«

Antisemitismus

Javier Bardem vergleicht Israels Armee mit den Nazis

Auch zieht der spanische Schauspieler einen Vergleich zwischen den IDF und dem KZ-Kommandanten Amon Göth. Es ist nicht das erste Mal

 22.08.2025

Raubkunst

Drei Millionen Franken für Bührle-Stiftung

Die Stadt Zürich beantragt Kredit für vertiefte Provenienzforschung der Sammlung Bührle

 22.08.2025

Camille Pissarro

Leidenschaft. Freiheit. Kunst

Das Potsdamer Museum Barberini zeigt mehr als 100 Gemälde des jüdischen Impressionisten

von Maria Ossowski  21.08.2025

Roman

Unter den Dächern von Paris

Fast 100 Jahre nach ihrem Entstehen erscheint Sebastian Haffners berührende Liebesgeschichte

von Alexander Kluy  21.08.2025

TV-Tipp

»Wonder Woman«: Von der Welt der griechischen Sagen in den Ersten Weltkrieg

Das Entree der Comic-Heroine Wonder Woman in die Welt des modernen Blockbuster-Kinos ist nach wie vor eine der besten unter den (Neu-)Verfilmungen von DC-Comics

von Jan Lehr  21.08.2025

Streaming

»Chabos« fährt mit Vollgas in die Nullerjahre

Die Serie führt Zuschauer mitten in eine verhängnisvolle Nacht mit einem illegalen Film-Download. Arkadij Khaet führte Co-Regie

von Simone Andrea Mayer  21.08.2025

Kulturkolumne

Verhandeln auf Tinder

Dating in Zeiten der Wassermelone

von Laura Cazés  21.08.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  21.08.2025

Imanuels Interpreten (12)

Paula Abdul: Die Tänzerin

Die auch als Sängerin, Schauspielerin und Geschäftsfrau bekannte kalifornische Jüdin führt ein abwechslungsreiches Leben

von Imanuel Marcus  20.08.2025