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»Verstehen statt behaupten«

»Ich habe mich wahrscheinlich noch nie einer Rolle so nah gefühlt wie dieser«: Dan Shaked Foto: Tanya Shin

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»Verstehen statt behaupten«

Ein Gespräch mit Dan Shaked über seine Abneigung gegen Petitionen, das Spionagedrama »The German« und den Dreh mit Schauspielkollege Oliver Masucci

von Katrin Richter  12.09.2025 09:43 Uhr

Herr Shaked, in der Serie »The German« spielen Sie Steven Milk, einen amerikanischen Forscher, der traumatisierten Schoa-Überlebenden begegnet. Was hat Sie an der Rolle interessiert?
Die Figur Steven Milk basiert auf einer realen Person. Es geht um einen Forscher, der sich mit transgenerationalen Traumata beschäftigt und Kibbuzmitglieder dazu befragt. In »The German« kommt Milk an die Universität Haifa. Er verliebt sich in eine seiner Studentinnen, die ihn in ihren Kibbuz einlädt. Ihre Eltern sind wie viele andere, die dort leben, Schoa-Überlebende. Milk begegnet dem Vater der Studentin, und sagen wir es einmal so: Er ist nicht besonders erfreut über den neuen Freund seiner Tochter. Das Interessante ist, dass sich diese Geschichte ein wenig mit meiner eigenen Familiengeschichte kreuzt.

Wie denn genau?
Meine Eltern sind in den 70er-Jahren von Israel zum Studium in die USA gezogen. Wie viele israelische Paare, die damals in Boston lebten, befanden sich die beiden immer in diesem Konflikt, den auch Steve und seine Studentin austragen: Sie möchte nicht aus Israel weg, weil sie dort ihr ganzes Leben hat, und er möchte sie mit in die USA nehmen. Ein Paar zwischen Träumen und Karriere, hin- und hergerissen, bedrängt von Fragen wie: Lohnt es sich, zurückzuziehen? Leben wir in einer Fantasievorstellung davon, wie Israel einmal war? Haben wir neue Wurzeln in den USA geschlagen und knüpfen daran an, oder kommen wir zurück und setzen unsere Geschichte in Israel fort? Diese Situation ist eine absolute Parallele zwischen meinem Leben und der filmischen Handlung. Außerdem ist »The German« eine Serie, die ich in einer Zeit voller persönlicher Veränderungen gedreht habe.

Was hat sich für Sie verändert?
Während des Drehs habe ich meinen Master in Trauma-Begleitung gemacht, meine Schwester ist nach Berlin gezogen – von dort stammen meine Großeltern –, und ich habe meinen deutschen Pass bekommen. Es war einfach viel los.

Warum haben Sie sich als Schauspieler für ein weiteres Studium entschieden?
Ich hatte an der Tisch School of the Arts in New York Drama studiert. Aber mir fehlte etwas neben der Schauspielerei. Ich brauchte etwas, das mich kreativ noch ein wenig anspornt. Daher fiel die Entscheidung für diesen Masterstudiengang.

Haben Ihnen diese neuen Entwicklungen bei Ihrer Rolle geholfen oder Ihr Spielen irgendwie beeinflusst?
Auf jeden Fall. Diese ganze Zeit hat mich näher an meine Wurzeln herangeführt und mich stolz auf meine Herkunft gemacht. Ich bin Enkel von Schoa-Überlebenden und auch sehr stolz darauf, aus Israel zu kommen. Die Dreharbeiten fanden mitten im Krieg statt, während die Sirenen heulten. Wir drehten im ganzen Land, in Kibbuzim im Norden und auch im Süden Israels. Ich habe mich wahrscheinlich noch nie einer Rolle so nah gefühlt wie dieser. Das war genau das Richtige für mich.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit dem deutschen Schauspieler Oliver Masucci empfunden, der für seinen Part extra Hebräisch gelernt hat?
Oliver war ein Champion. Er bekam ein Drehbuch komplett auf Hebräisch. Ich verstehe, ehrlich gesagt, bis heute nicht, wie er das geschafft hat. Er hat hart gearbeitet und so viele Stunden investiert, um sein Hebräisch zu perfektionieren. Es war fast wie Method Acting. Oliver und ich hatten eine sehr schöne Szene zusammen. Ich stehe in der Küche, spüle Geschirr. Er tritt von hinten an mich heran und sagt mir: »Komm meiner Frau nicht zu nahe, interviewe sie nicht.« Es war eine meiner Lieblingsszenen.

Was hat diese Szene für Sie so besonders gemacht?
Einfach das Gefühl, diese Nähe. Ich kann natürlich nicht für Oliver sprechen, aber ich weiß, dass wir beide diese Szene sehr gern gedreht haben. Sie war auf Englisch und verschaffte ihm auch eine kleine Pause vom Drehen auf Hebräisch.

Und was haben Sie getan, nachdem sie abgedreht war?
Nach anderen Szenen bin ich in meinen Wohnwagen oder durch den Kibbuz gegangen, um meinen Kopf ein wenig freizubekommen. Aber nach dieser Szene haben Oliver und ich uns einfach umarmt, gelacht, und es war wie ein Loslassen. Wie eine Erleichterung, denn die Anspannung beim Dreh, die Intensität vor der Kamera und auch im wirklichen Leben war enorm groß. Es tat gut, mit ihm einen »Kaffee Turki« zu trinken, etwas zu essen und über Dinge zu sprechen, die nichts mit der Szene zu tun hatten. Und es tat so gut, zusammen ein paar Sonnenblumenkerne zu knabbern.

In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Petitionen, die von Künstlern unterzeichnet wurden. Was denken Sie: Sollten sich Schauspieler politisch engagieren?
Ich bezeichne mich selbst als einen »In-between Guy«. Ich bin in den USA aufgewachsen, lebe dort, habe aber Geschwister, die in Israel leben. Ich bin jemand, der sich selbst als Weltbürger betrachtet. In Boston bin ich mit Menschen aus aller Welt aufgewachsen, ich war auf Rucksacktouren in Südamerika, ich habe Freunde, die sich selbst als links oder als rechts betrachten. Daher finde ich es sehr schwierig, Aussagen zu treffen, die nur eine Seite der Medaille widerspiegeln, weil ich wirklich denke, dass manche Dinge einfach zu komplex sind. Ich bin ein Typ, der sich selbst mehr Fragen stellt, als dass er Aussagen trifft. Die Nuancen und die Komplexität von politischen Situationen vollkommen zu verstehen, ist eben nicht einfach. Ich möchte lieber reflektieren, lernen und verstehen, anstatt etwas zu behaupten. Ich bin niemand, der rechts oder links ist, ich bin sehr flexibel.

Mit dem Schauspieler sprach Katrin Richter. »The German« läuft bei Magenta TV.

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